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MEDIZIN Männer: Der erste Leiter der Charité

JOHANN THEODOR ELLER Chirurgen gelten im 18. Jahrhundert nicht als echte Mediziner.

JOHANN THEODOR ELLER

Chirurgen gelten im 18. Jahrhundert nicht als echte Mediziner. Das menschliche Leben gründet, so die damals gängige Vorstellung, auf einem Geheimnis, das nicht dadurch zu lüften ist, dass man seinen Träger aufschneidet. Akademische Ärzte sind vor allem Gelehrte, die den „inneren Krankheiten“ mit Säfteausgleich, Aderlass und Schwitzkuren zu Leibe rücken wollen. Wenn es blutig wird, kommt eine andere Sorte Arzt zum Einsatz: die oft eher bildungsfernen Wundärzte. In Berlin haben sie zur Jahrhundertwende ihre ungeliebte Berufsbezeichnung Barbier gegen den weniger bekannten Begriff Chirurg eingetauscht. Im Berliner Bürgerbuch heißt es über einen Chirurgen: „ … kann wegen Blödigkeit des Verstandes nur mit Bartschere etwas verdienen“. Zum Pech der Kunden darf er mit der auch operieren.

Johann Theodor Eller ist eigentlich Gelehrtenarzt. Nach ein paar Semestern Jura in Jena hat er Medizin und Naturwissenschaften studiert, sein Interesse gilt Mineralien und Metallen. Doch er ist praktisch veranlagt und verfügt über ein außergewöhnliches anatomisches Wissen. In Magdeburg soll er Militärchirurgen die menschliche Anatomie näherbringen, bevor sie die im Lazarett kennenlernen. Friedrich Wilhelm I. ist begeistert und will dasselbe für die Chirurgen in Berlin. Deshalb wird Eller 1724 ans Collegium medico-chirurgicum berufen. Gemeinsam mit Ernst Georg Stahl, dem Leibarzt des Königs, erarbeitet Eller ein Medizinaledikt, das die Approbationsvoraussetzungen neu regelt und erstmals genaue Ausbildungsstandards festlegt: Jeder Chirurg in Preußen muss einen Lehrbrief vorlegen, eine Prüfung bestehen und sieben Jahre bei einem Meister und als Truppenarzt gearbeitet haben. Vor allem dieser letzte Punkt ist ganz im Sinne des Soldatenkönigs. Als der drei Jahre später die Gründung der Charité beschließt, macht er Eller zum ersten Dirigierenden Arzt. Das Gebäude steht schon. Es ist vor den Toren der Stadt als Pesthaus errichtet worden.

Weil die Pest ausgeblieben ist, kommen Arme, Bettler, Prostituierte und verwundete Soldaten. Durch den neuen Namen ändert sich aber nicht viel: Die Patienten sind allesamt Bedürftige, die Charité ist chronisch pleite, das Pflegepersonal – genannt Wärter – besteht auch aus genesenen Patienten, die ihren Aufenthalt abarbeiten müssen. Prügel ist an der Tagesordnung. Oft warten Patienten tagelang auf den Besuch des Arztes. Nach acht Jahren gibt Eller auf und wird Leibarzt des Königs.

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