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Gesundheit: Mediziner als Verbrecher

Eine Berliner Ausstellung dokumentiert die Menschenversuche der Nazis

CAMPUS-TIPPS

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„Kaninchen“ nannte man sie im Frauen-KZ Ravensbrück. 74 junge polnische Widerstandskämpferinnen suchten sich die Mediziner für ihre kriegschirurgischen Experimente aus. Sie schlitzten ihnen die Beine auf, verunreinigten die tiefen Wunden mit Glasscherben und Holzsplittern, Erde und vor allem Bakterien: den Erregern des Gasbrandes, einer oft tödlichen Wundinfektion.

Der Versuchsleiter war eine Koryphäe: der Berliner Ordinarius für orthopädische Chirurgie und Sportmedizin Karl Gebhard, ärztlicher Leiter der Olympischen Spiele von 1936 und Leibarzt Heinrich Himmlers. Er wollte unbedingt die Nutzlosigkeit der bakterienhemmenden Sulfonamide bei der Verhütung von Wundinfektionen nachweisen, obgleich sie sich schon bewährt hatten. Denn er fürchtete, die Chirurgie könnte Kompetenzen an die Innere Medizin verlieren.

Die Gasbrand-Experimente von Ravensbrück sind, neben Mengeles Zwillingsversuchen in Auschwitz, den Fleckfieber-Versuchen in Buchenwald und den Unterdruck-Experimenten in Dachau derzeit im Berliner Medizinhistorischen Museum auf dem Charité-Campus Mitte dokumentiert. Die Wanderausstellung „Gewissenlos – gewissenhaft: Menschenversuche im Konzentrationslager“ erarbeitete das Medizinhistorische Institut der Universität Erlangen-Nürnberg.

Damit nicht immer nur die Täter im Zentrum stehen, ergänzte man die Informationskojen in Berlin um einen eindrucksvollen Gedenkraum für die Opfer. Die Wände sind bedeckt mit ihren Namen. Da aber höchstens ein Viertel identifiziert wurden, sind die Namen der unbekannten Versuchsopfer handschriftlich-unleserlich angedeutet.

Viele der menschlichen Versuchspersonen starben an den grausamen Experimenten, andere wurden hinterher erschossen, die Überlebenden trugen bleibende Schäden davon. Die Ausstellung zeigt ein Großfoto der 23 Mediziner und Funktionäre, die stellvertretend für alle Täter und untätigen Mitwisser 1946/47 im Nünberger Ärzteprozess angeklagt wurden. Keiner zeigte Mitleid mit den Opfern, keiner war sich seiner Schuld bewusst. Für die Forscher boten die KZs nie dagewesene Arbeitsbedingungen: Sie waren nicht mehr auf Tierversuche angewiesen, sondern konnten ungehemmt mit „Menschenmaterial“ arbeiten. Karl Gebhardt im Ärzteprozess: „So hat mir das Dritte Reich auf ärztlichem Gebiet eine große Chance gegeben. Ich habe die Chance genutzt.“

In der Ausstellung hängt der Text des nach dem Prozess formulierten „Nürnberger Ärzte-Kodex“. Diese strengen Richtlinien für die Forschung am Menschen – etwa das Verbot von Versuchen an nicht Zustimmungsfähigen – wurden in späteren Bestimmungen wieder verwässert. Und als Beispiel für die fast ungebrochene Nachkriegskarriere der in die Menschenversuche verstrickten Mediziner dokumentiert die Ausstellung den Lebenslauf des Rassenhygienikers und Chefs von Josef Mengele, Otmar Freiherr von Verschuer, der als „Entnazifizierter“ rasch einen Lehrstuhl bekam.

Berliner Medizinhistorisches Museum der Charité, Schumannstraße 20/21, Telefon: 450 53 61 56, bis 27. Juli dienstags bis sonntags 10 bis 17 Uhr. Katalog 8 Euro.

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