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Gesundheit: Medizinisches Methusalem-Komplott

Ein hohes Alter zu erreichen, wurde in allen Kulturen von jeher als große Gunst der Natur betrachtet. Sie wird heute immer mehr Menschen zuteil.

Ein hohes Alter zu erreichen, wurde in allen Kulturen von jeher als große Gunst der Natur betrachtet. Sie wird heute immer mehr Menschen zuteil.Was die Behandlung betrifft, so kann der Vorzug jedoch zum Nachteil werden. „Alte Menschen werden heute in der Medizin benachteiligt“, sagte Gerald Kolb, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie, anlässlich des Jahreskongresses seiner Vereinigung, zu dem sich noch bis Sonnabend über 500 Teilnehmer in Berlin versammeln.

Die Benachteiligung kann zum Beispiel darin bestehen, dass nicht nach modernem Standard behandelt wird, wie das bei Jüngeren eigentlich der Fall ist. „Ältere Patienten mit Darmkrebs bekommen nach der Operation seltener als junge die notwendige zusätzliche Chemotherapie“, monierte Kolb.

Eine zweite Form der Benachteiligung sehen die Spezialisten für Altersmedizin im Wissensdefizit, das durch eine Schieflage der Forschung entsteht: In Arzneimittelstudien kommen Patienten über 65 nicht angemessen vor, obwohl sie nicht selten die Mehrheit stellen.

Nicht zuletzt aber kann auch zu viel Gleichheit in der Behandlung eine Benachteiligung bedeuten. Denn im Alter leiden viele an mehreren chronischen Krankheiten. Die Leiden können sich gegenseitig verstärken, die Behandlungen kommen sich gegenseitig in die Quere. Mit einer eigenen Leitlinie „Diabetes im Alter“ haben die Altersmediziner jetzt versucht, auf Besonderheiten bei älteren Zuckerkranken zu reagieren. „Die Therapie muss dann zum Beispiel oft auf die eingeschränkte Funktion der Niere eingestellt werden, und auch die Normwerte unterscheiden sich“, sagte der Wuppertaler Diabetes-Experte Claus Hader.

Anlässlich einer alarmierenden Studie über die Schlechterstellung der Alten bei der Behandlung, die 1999 erschien, wurde in den USA sogar der Begriff „Alters-Rassismus“ geprägt. Passend scheint er trotz aller Missstände nicht: Denn während diskriminierende Faktoren wie Hautfarbe (oder Geschlecht) uns ein Leben lang prägen, ist das Alter eine Lebensphase. Noch dazu eine, die jeder sich wünschen muss, der lange leben möchte.

Adelheid Müller-Lissner

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