zum Hauptinhalt

Gesundheit: Mehr Wissenschaft wagen

Biologen fordern Abenteuergeist

„Der Abenteuergeist ist uns ein etwas abhanden gekommen“, sagt Gottfried Schatz auf die Frage, was Europa in Sachen Forschung von den USA oder Südkorea unterscheide. Der Basler Biologe, bis vor kurzem Präsident des Schweizerischen Wissenschafts- und Technologierats, sprach am Mittwoch zur Eröffnung der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Zellbiologie, zu der sich 600 Forscher bis Sonnabend im Rathaus Schöneberg versammeln.

Ein großes Hemmnis für die europäischeForschung sieht er in der „Scheu, die beschränkten Mittel gezielt für Begabte einzusetzen“. Außerdem gebe es eine übertriebene Angst vor Fehlern, die aber zu jeder Entwicklung gehörten: „Wenn die Evolution alle Fehler hätte vermeiden wollen, dann wären wir immer noch Bakterien.“ Beispiel Stammzellforschung: „In Korea fragt man sich: Was kann man damit machen? Wir fragen: Was könnte uns das schaden?“

Nicht zuletzt sieht er ein Problem darin, dass man in Europa von den Forschern zu schnell wissen wolle, welche konkretem Fragen sie denn zu beantworten gedenken. „Wirklich innovative Forschung schafft sich aber doch erst die neuen Fragen, an die bisher noch niemand dachte.“ Deshalb sei es auch zu kurz gegriffen, nur auf angewandte Forschung zu setzen. Das drohe originelle Ansätze zu ersticken. Den „Wasserkopf an Administration“, der innovative Wissenschaft erschwere, kritisierte auch Manfred Schliwa von der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität.

Zu den Innovationen, die auf den Kongress vorgestellt werden, gehören Techniken, mit denen einzelne Moleküle in Zellen lebender Organismen sichtbar gemacht werden können. Die Auszeichnung der Fachgesellschaft, die „Carl-Zeiss-Lecture“, bekommt der kalifornische Zellbiologe Roger Tsien für die Entwicklung fluoreszierender Farbstoffe, die die Aktivitäten von Molekülen sichtbar machen.

Ganz neu sind halbleitende Nanokristalle, die so klein sind, dass sie an einzelne Moleküle angehängt werden können. Dass das Verständnis für die Funktionen der winzigen Bausteine einer Zelle zu neuen Medikamenten führen kann, hat etwa der Antikörper Trazumab bewiesen. Diese Substanz bremst bei einer kleinen Gruppe von Brustkrebspatientinnen das Wachstum von Metastasen, indem er Bindungsstellen des Rezeptors HER2 besetzt. „Wir werden vielseitigere und variablere Medikamente bekommen“, hofft Walter Birchmeier, ab 15. April neuer Stiftungsvorstand des Max-Delbrück-Centrums in Buch.

Adelheid Müller-Lissner

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false