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Gesundheit: Menschliche Klone: Kopier mich

Im Februar 1997 berichteten Ian Wilmut und seine Mitarbeiter vom schottischen Roslin-Institut im Fachblatt "Nature", ein Schaf aus der Brustdrüsenzelle eines erwachsenen Tieres geklont zu haben. "Dolly", die Verheißung des biotechnischen Zeitalters, war geboren.

Im Februar 1997 berichteten Ian Wilmut und seine Mitarbeiter vom schottischen Roslin-Institut im Fachblatt "Nature", ein Schaf aus der Brustdrüsenzelle eines erwachsenen Tieres geklont zu haben. "Dolly", die Verheißung des biotechnischen Zeitalters, war geboren. In der Vorstellung vieler Menschen wurde aus dem Schaf "Dolly" sofort ein Mensch, ein Hitler oder eine Marylin Monroe zum Beispiel - auferstanden aus nur einer einzigen Körperzelle, die man in eine entkernte Eizelle einpflanzte und ihr damit die Chance gab, sich zu einem neuen Menschen zu entwickeln.

Bislang konnten Fachleute über derlei Vorstellungen nur den Kopf schütteln. Aber die Geburt des ersten menschlichen Klons scheint näher zu rücken. Denn mittlerweile mehren sich die Erfahrungen mit dem Kopieren von Tieren; Maus, Rind, Ziege und Schwein leisten Klon Dolly mittlerweile Gesellschaft. Warum nicht auch der Mensch? Vor allem aber sind es mittlerweile nicht mehr nur Außenseiter und Sektierer, sondern ernst zu nehmende Fachleute wie der italienische Fortpflanzungsmediziner Severino Antinori, die das Klonen eines Menschen in Erwägung ziehen.

Ein menschlicher Klon wäre vergleichbar mit einem zeitversetzten eineiigen Zwilling. Genetisch wäre er weitgehend mit seinem Erbgutspender identisch, aber er würde schon im Mutterleib anderen Einflüssen ausgesetzt und würde in anderer Umgebung und Gesellschaft aufwachsen. Ein doppelter Hitler bekäme wohl keine zweite Chance.

Mit den Vorstellungen aus Science-Fiction-Romanen und Hollywoodfilmen, in denen Klone meist seelenlose Doppelgänger oder Biomaschinen aus Menschenfabriken sind, hätte seine Ankunft allerdings wenig zu tun: Klone würden eher Kinder der Trauer als der Kopiersucht von Tyrannen sein. Viele Eltern können den Verlust eines Kindes nicht verschmerzen - ein neuer, genetisch identischer Mensch würde den Verlust mildern. So wie bei den Eltern der Australierin Olga Tomusyak, die kurz vor ihrem siebenten Geburtstag aus dem Fenster fiel und starb. Obwohl ihre Eltern jung genug sind, um weitere Kinder zu haben, wollen sie das tote Mädchen klonen. "Alles, was aus ihr wächst, wird uns an sie erinnern", sagte ihre Mutter Tanya dem amerikanischen Magazin "Time".

Ähnlich liegt der Fall bei den Eltern eines zehn Monate alten Jungen, der nach einer Operation starb. Aus einer seiner eingefrorenen Zellen soll nach dem Willen der französisch-kanadischen Raelianer-Sekte ein neuer Mensch entstehen. Für die Raelianer, die Ufos und Gentechnik verehren, ist Klonen so etwas wie der zeitgemäße Weg zum ewigen Leben. Die Sekte soll weltweit etwa 25 000 Anhänger haben. Vor allem aber verfügt sie über ein gewisses technisches Knowhow und nach eigenen Angaben über 50 Frauen, die zum Spenden von Eizellen und zum Austragen der Schwangerschaft bereit wären. Eizellen vor allem wird man wohl brauchen. Es bedurfte 277 von ihnen, um das Schaf "Dolly" zu erzeugen, und es sieht nicht danach aus, dass beim Menschen wesentlich weniger erforderlich wären.

Dem Römer Severino Antinori geht es nicht um ewiges Leben oder die genetische Wiederauferstehung von Toten, sondern um Hilfe für unfruchtbare Paare. Auch der Frauenarzt Antinori will klonen, und das mit Hilfe seines Kollegen Panayiotis Zavos von der Universität von Kentucky und des Innsbrucker Tierklon-Experten Karl Illmensee. Nach eigenen Worten will Antinori Ende des Jahres mit dem Menschenklonen beginnen - "die Geburt wäre dann im Sommer 2002". Morgen trifft sich Antinori mit Kollegen, um das Für und Wider zu diskutieren.

"Es sind drei Gruppen von Menschen denkbar, die sich fürs Klonen interessieren könnten", sagt der Ethiker Ronald Green vom Dartmouth College. Da seien zum einen Paare, bei denen entweder Ei- oder Samenzellen nicht lebensfähig seien. Auch lesbische Paare oder schwule Männer kämen in Frage, und schließlich Menschen mit schweren, anderweitig nicht zu verhindernden genetischen Störungen.

In Deutschland und den meisten europäischen Ländern ist das Klonen von Menschen verboten. In den USA dagegen haben es bislang nur vier Bundesstaaten untersagt. Und anders als in Deutschland, wo zumindest öffentlich kein namhafter Forscher oder Arzt Taufpate des Xeroxmenschen sein will, gibt es in Amerika einen heftigen Streit zwischen Gegnern und Befürwortern. Liberale pochen auf das Recht zur eigenen Entscheidung, das nicht durch Politiker, Kleriker oder Ethik-Komitees beschnitten werden dürfe.

Undenkbar wäre hierzulande wohl auch, dass ein erklärter Schwuler das Klonen verteidigt. Der New Yorker Randolfe Wicker ist so ein Fall. Wicker ist Sprecher der Menschenklon-Stiftung. Aus einer Hautzelle seiner selbst soll einmal ein kleiner Randolfe Wicker entstehen. "Ich kann dem Tod eine lange Nase machen", sagt Wicker. "Es ist ein kleiner Triumph. Ich hinterlasse meine Spur nicht in Sand, sondern in Zement."

Der entschiedenste Gegner des Klonens ist die katholische Kirche. Denn nach Ansicht ihrer religiösen Führer ist bereits die befruchtete Eizelle beseelt. Und wenn es Gott beliebt, aus ihr zwei Menschenklone - nämlich eineiige Zwillinge - entstehen zu lassen, so ist das seine Sache. Der Mensch darf derlei nicht. Womit die Kirche auch den philosophischen Nerv der Sache getroffen hat. Denn mit dem Klonen steigt der Mensch gezielt aus der genetischen Lotterie seiner Vermehrung aus. Er bestimmt über das gewöhnliche Maß der Partnerwahl hinaus ganz gezielt und bis aufs Gen genau, wie die kommende Generation aussieht. Beseelt oder nicht.

Zumindest beim Menschenklonen hat der Vatikan ungewöhnliche Verbündete, nämlich den "Dolly"-Schöpfer Wilmut selbst und eine ganze Reihe weiterer angesehener Zellbiologen und Gentechniker. Wilmut wirft dem klonwilligen Antinori vor, "in krimineller Weise verantwortungslos" zu sein. Die Technik sei noch nicht ausgereift, es würden beim Klonen von Menschen "haufenweise" Fehlgeburten und Missbildungen erzeugt. Es sei eine grausige Ironie, dass man ein totes Kind genetisch neu erzeugen wolle, und das einzige, was man bekomme, sei "wieder ein totes Kind". Ungelöst ist auch die Frage, ob "Dolly" älter ist als sie aussieht und schon als "Schaf im Lammfell" zur Welt kam. Denn das Schaf, aus dem die Euterzelle zum Klonen entnommen wurde, war sechs Jahre alt. Wird im Klon die Lebensuhr zurückgedreht?

Viele Wissenschaftler fürchten, dass der Aufruhr mancher Zeitgenossen über das Menschenklonen nicht nur die beteiligten Humankopierer und damit ein paar Außenseiter, sondern auch in einer Art politischer Überreaktion den Mainstream Unbeteiligter treffen könnte. Und damit all jene Biologen, die an neuen Therapien für Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson oder Krebs arbeiten und dabei zum Beispiel mit Stammzellen aus Embryonen experimentieren.

"Wenn das erste Klonkind in die Kamera lächelt, haben sie gewonnen", sagt der Klon-Anhänger Mark Eibert. Aber falls das Experiment fehlschlägt, "wird Klonen für die nächsten 100 Jahre verboten sein", prophezeit der Philosoph Gregory Pence.

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