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Gesundheit: Mentorenhilfe durch den Uni-Dschungel

Von Juliane von Mittelstaedt Aller Anfang ist schwer - und an den Universitäten gilt das wortwörtlich. Das Studium beginnt oft mit einer zentnerschweren Literaturliste, die das Herz in die Hose rutschen und die Bandscheibe krachen lässt.

Von Juliane von Mittelstaedt

Aller Anfang ist schwer - und an den Universitäten gilt das wortwörtlich. Das Studium beginnt oft mit einer zentnerschweren Literaturliste, die das Herz in die Hose rutschen und die Bandscheibe krachen lässt. Und im Kopf spukt eine Stimme herum, die beharrlich flüstert: Du weißt doch gar nichts.

Aber auch ganz banale Dinge lassen den Studienanfänger verzweifeln: Wie leihe ich ein Buch aus? Welche Seminare sind Pflicht? Wie schreibe ich eine wissenschaftliche Hausarbeit? – Nicht selten brechen die Neulinge ihr Studium bereits in den ersten Semestern ab, weil Fachkauderwelsch und schleierhafte Studienordnungen wie eine Welle über ihnen zusammenschlagen. Wer wünscht sich in diesen ersten Monaten nicht einen älteren Studenten, der ihn an die Hand nimmt und durch den Uni-Dschungel führt?

Genau das fand auch Hansjörg Neubert, Professor am Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie der Freien Universität. Also startete er erstmalig in diesem Sommersemester ein einjähriges Mentorenprogramm für sechzig Lehramts- und Pädagogikstudenten. Am vergangenen Freitag trafen sich alle Gruppen, die aus je sechs bis sieben Studienanfängern und einem älteren Studenten, dem Mentor, bestehen, zu einer gemeinsamen Zwischenbilanz. Mentorin Jana Hemann, selbst im achten Semester Sozialpädagogik, kennt die anfängliche Orientierungslosigkeit aus eigener Erfahrung: "Mir hat man damals zwei bedruckte DIN A4-Seiten in die Hand gedrückt. Gezeigt: Hier ist die Mensa und da die Bibliothek. Das reicht einfach nicht." Darum hat sie sich auch für das neue Mentorenprogramm von Hansjörg Neubert beworben. Natürlich bieten die Professoren Sprechstunden an, aber da ist die Hemmschwelle höher und „man hat ja nicht eine Frage, sondern tausend - da müsste man dem Dozenten sagen: Erklären Sie mir die Uni!", so Jana Hemann.

Feste Ansprechpartner

Wichtig sei vor allem auch, dass es feste Ansprechpartner für die Studenten gebe, berichtet die Mentorin Heike Liesegang. Ihren Schützlingen will sie helfen, „das Studium zu überblicken". Für Erstsemester Nicole Bohraus sind vor allem die Kontakte innerhalb der Gruppe wichtig; denn „am Anfang ist man ganz schön allein". Mit dem Mentorenprogramm werde man eben nicht nur „in den Apparat hineingekippt", bestätigt Jonas Büchler, der im zweiten Semester Sozialpädagogik studiert.

Vereinzelung und Frust an der Massenuni - das ist ein häufiges Phänomen, gerade in den sehr frei organisierten geisteswissenschaftlichen Fächern. Hansjörg Neubert hofft daher, dass mit seinem „Experiment" ein mehr zielbezogenes und damit kürzeres Studium möglich wird. Es reiche eben nicht, so Neubert, nur mit Sparknute und Gebührendrohungen gegen Langzeitstudenten vorzugehen, sondern man müsse ihnen auch die Rahmenbedingungen für ein zügiges Studium bieten. Mentor Bernhard Lauter, der bereits im achten Semester Erziehungswissenschaft studiert, meint, er hätte sich durch anfängliche Hilfe durch Mentoren mindestens ein bis zwei Semester sparen können.

Sollte die Lösung so einfach sein? Mentorenprogramme sind schließlich kein plötzlicher Geistesblitz, sondern altbewährt. Nahezu jeder Fachbereich veranstaltet eine „Uni-Rallye", ein gemeinsames Frühstück oder den obligatorischen Mensabesuch. Nach den ersten Wochen stehen die Studienanfänger aber meist alleine da. Mentorenprogramme, die längerfristig ausgelegt sind, machen sich rar.

Neubert hat dieses Manko erkannt und geht mit viel Elan daran, dies zu ändern. Besonderen Wert legt er darauf, dass die Studenten ein so genanntes Studientagebuch führen, in dem sie alle vierzehn Tage ganz anonym ihre Ängste wie auch positive Erlebnisse notieren. Diese Reflexionen liegen aus und können von allen gelesen werden, mit dem Effekt: Mensch, anderen geht es ja genauso.

Der Service hat seinen Preis

Der Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie fördert das Programm mit 7500 Euro, immerhin fünfzehn Prozent des frei verfügbaren Etats. Das macht 500 Euro pro Mentor und Jahr. Auf den ersten Blick sei das viel Geld, so Jana Hemann, aber wenig, wenn man den Zeitaufwand bedenke.

Jeden Monat ein Treffen, für verzwickte Fragen jederzeit telefonisch erreichbar und immer auf der Suche nach aktuellen Informationen für die Erstsemester – das ist viel Aufwand. Aber sie macht es trotzdem, denn „hätte es damals schon Mentoren gegeben, dann wäre mir eine Menge Frust erspart geblieben."

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