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Gesundheit: Mit Glück zum neuen Medikament

Der Biochemiker Axel Ullrich – ein Vorreiter der Arzneiforschung

„Wir hatten Glück, wir sind in diese Sache hineingestolpert.“ Der Biochemiker Axel Ullrich ist, wenn man seinen Selbstaussagen Glauben schenken darf, im Verlauf seiner Karriere gleich mehrfach „gestolpert“: Über Gene, Wachstumsfaktoren und Andockstellen von Zellen, die zur Grundlage von Patenten, neuen Therapien und mehreren eigenen Firmen wurden.

In den 70er Jahren gelang es ihm, ein Gen herzustellen, das die Produktion von Insulin reguliert. Das war die Voraussetzung für die gentechnische Herstellung des Bauchspeicheldrüsen-Hormons. Ein Jahrzehnt später folgte die Isolierung eines Genprodukts ns HER2, das in etwa 30 Prozent aller Fälle bei Brustkrebs vermehrt gebildet wird. Dieses Wissen wurde zur Grundlage eines Medikaments namens Herceptin.

Ullrich, Direktor am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried bei München, war in Berlin zu Gast, um beim Charité-Symposium „Virchows Erbe“ über den Weg „Vom Gen zum Medikament“ zu sprechen. Mit dem berühmten Pathologen, dessen 100. Todestag begangen wurde, verbindet den Biochemiker die große Neugier auf die „unglaubliche Welt der Zelle“. Das Mikroskop verschaffte den Forschern des 19. Jahrhunderts erstmals Einblick in diese Welt, doch „bis heute sind wir damit beschäftigt, die Funktion des Beobachteten zu verstehen“.

Die Neugier des Biochemikers gilt beiden, den Zellen und den Genen, genauer: der Frage, wie genetische Grundlagen den Informationsaustausch der Zellen steuern. Unsere Zellen sind praktisch pausenlos miteinander in Kontakt, sie erhalten Nachrichten, geben Anweisungen oder führen sie aus.

Bei der Übertragung der Signale spielen Proteine aus der Familie der Tyrosin-Kinasen eine wichtige Rolle. Die Gensequenz eines Mitglieds dieser Familie, Flk-1, entpuppte sich als wichtiger Mitspieler in einem Prozess, der Zellen zur Bildung neuer Blutgefäße anregt. Tumorzellen senden Signale aus, die die Blutgefäße der Umgebung zum Aussprossen veranlassen. Auch hier war der Arbeitsgruppe, wie Ullrich beteuert, wieder der Zufall gnädig: „Wir waren glücklich genug, die entscheidende Bindungsstelle für Flk-1 zu finden."

Die Forscher konnten bald im Experiment zeigen, dass Tumorgewebe am Wuchern gehindert wird, wenn man Flk-1 in seiner Aktivität bremst: Der Krebs „verhungert“, weil sich die Blutgefäße nicht bilden, die er für seine Versorgung braucht.

„Je spezialisierter unsere Medikamente sind“, gab der Charité-Pathologe Manfred Dietel zu bedenken, „desto größer ist die Gefahr, dass wir viele Zellen gar nicht erreichen.“ Ullrich war deshalb überzeugt, dass die Krebsmediziner der Zukunft mit maßgeschneiderten Medikamenten-Cocktails arbeiten müssen. Zuvor aber wird man den Zellen noch manches Geheimnis entlocken müssen. Mit dem Elektronen-Mikroskop oder mittels DNS-Analyse, auf jeden Fall aber auch mit Hilfe weiterer glücklicher Zufälle. Adelheid Müller-Lissner

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