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Mobil nach Schlaganfall: Fahren wie früher

Patienten müssen nach einem Schlaganfall wieder lernen, mobil zu sein – auch im Auto. In Berlin gibt es dafür jetzt spezielle Therapiefahrzeuge.

Nach einem Schlaganfall, nach einem schweren Unfall, der ein Schädel-Hirn- Trauma zur Folge hat, aber auch nach einer Operation an Hüfte oder Knie muss man sich vieles neu aneignen. Wer nach einem Krankenhausaufenthalt in einer neurologischen oder einer orthopädischen Reha-Einrichtung für die Rückkehr in den gewohnten Alltag trainiert, für den gehört Mobilität zu den ganz großen Zielen. Selbstständig sein, sich wieder ohne fremde Hilfe fortbewegen können!

Natürlich ist das für viele zuallererst mit dem Wunsch verbunden, wieder zu laufen. Aber auch das eigene Auto hat einen hohen Stellenwert, symbolisiert es doch wie wenige Alltagsgegenstände die individuelle Mobilität und den Status des Erwachsenen in einer motorisierten Gesellschaft. Es dürfte daher vielen Patienten einen echten Motivationsschub versetzen, dass seit kurzem im Therapiebereich der Median-Klinik Berlin in Kladow ein Pkw steht. Ein Therapiefahrzeug: geeignet, um das Ein- und Aussteigen, das Beladen und das Tanken zu üben. „Mit einer künstlichen Hüfte oder nach einem Schlaganfall können das schwierige Aufgaben sein“, so Geschäftsführer Hartmut Hain anlässlich der Unterzeichnung eines Kooperationsvertrags zwischen seiner Klinikkette und dem Automobilhersteller VW. Insgesamt 24 der bundesweit 43 Median-Häuser sollen in diesem Jahr mit solchen Therapiefahrzeugen ausgestattet werden, Berlin ist Vorreiter.

Die Fahrzeuge, um die es hier geht, sind nicht zu verwechseln mit Sondermodellen für Menschen mit dauerhaften Behinderungen, die über besondere technische Vorrichtungen und spezielle Fahrhilfen verfügen. Von diesen Fahrzeugtypen hat der Automobilkonzern allein im letzten Jahr 25 000 Stück verkauft, wie anlässlich der Unterzeichnung mitgeteilt wurde. In den nächsten Jahrzehnten dürfte der Bedarf an diesen besonderen Autos angesichts der viel beschworenen Veränderung der Alterspyramide weiter zunehmen. Allerdings wurde schon vor Jahrzehnten mit ihrer Entwicklung begonnen, und zwar zunächst für Fahrer mit kriegsbedingten Verletzungen.

Wie kommen sich Rollstuhl und Autotür nicht ins Gehege?

Im Therapiehof der Reha-Klinik steht nun jedoch ein Auto, das nicht auf solche spezifischen Bedürfnisse zugeschnitten ist. Es hat keine technischen Besonderheiten – und es hat noch nicht einmal einen Motor. „Das Therapiefahrzeug dient dem Training von Alltagsbewegungen im Rahmen der Ergotherapie“, erläutert Christian Dohle, Chefarzt der Neurologie. Patienten mit orthopädischen Problemen können hier möglichst gelenkschonende, schmerzarme Bewegungsmuster trainieren und Kraft aufbauen. Und daran arbeiten, dass sich Gehhilfen oder auch der Rollstuhl nicht mit der Autotür ins Gehege kommen und man es schafft, beide gut zu verladen. Nach neurologischen Erkrankungen muss oft auch die Reihenfolge der Bewegungen neu erlernt werden. „Bisher konnte das alles am und im Auto nur sporadisch trainiert werden, etwa, wenn die Angehörigen mit ihrem Pkw kamen“, berichtet Dohle.

Einschränkungen in Bewegung und Aktionsradius können durch spezielle Vorrichtungen in den Fahrzeugen oft gut kompensiert werden. Doch Dohle betreut auch Patienten, bei denen aus anderen Gründen fraglich ist, ob sie nach einem Schlaganfall oder einem schweren Unfall mit Schädel-Hirn-Trauma je wieder selbst werden Auto fahren können. Etwa Patienten mit Krampfanfällen, mit Einschränkungen des Gesichtsfelds, mit Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen und Entscheidungsschwierigkeiten. Während des Aufenthalts in der Reha-Klinik arbeiten sie mit Neuropsychologen an diesen Problemen. Inzwischen haben Studien ergeben, dass Tests, in denen es um eine Kombination von Reaktionsgeschwindigkeit und -genauigkeit auf der einen und Verkehrswissen auf der anderen Seite geht, die Fahrtüchtigkeit nach einem Schlaganfall gut vorhersagen können. Letztendlich müssen aber entsprechende Gutachten das absichern. Die Patienten, die auf diesen Gebieten Einbußen hatten, sich durch intensive Therapien aber gut davon erholt haben, werden über diese Regelungen genau aufgeklärt.

Oft zeichne sich aber schon früh ab, dass das Ziel, wieder selbst am Steuer zu sitzen, nicht erreicht werden kann. „Das ist sehr schmerzhaft, in einigen Fällen hängt ja sogar der Beruf daran“, so Dohle. Umso wichtiger sei es, mit den Patienten und ihren Angehörigen frühzeitig offen über das Thema Autofahren zu sprechen. Nicht zuletzt über das heikle Thema Rückgabe des Führerscheins. Das Therapiefahrzeug, das nun in der Median-Klinik steht, soll sich auch in diesem Fall nützlich machen: Auch das Einsteigen auf der Beifahrerseite muss ja oft geübt werden. Und auch dieses Training kann entscheidend sein für die Wiedererlangung der persönlichen Mobilität.

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