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Gesundheit: Naturschutz und Wortgeklingel: Vor 75 Jahren trafen sich in München "einsichtige Männer" zum ersten Deutschen Naturschutztag

"In Wort und Schrift wird von gemütstiefen und einsichtigen Männern darauf aufmerksam gemacht, dass allerwärts die Natur durch den schrankenlosen Materialismus der Neuzeit und durch die hemmungslose Ausbeutung aller ihrer Schätze der Gefahr ausgesetzt ist, eine erschreckende Verflachung, Verödung und Verarmung zu erleiden." So pathetisch, wie es der Zeit entsprach, begrüßte der bayerische Staatsrat von Reuter am 26.

"In Wort und Schrift wird von gemütstiefen und einsichtigen Männern darauf aufmerksam gemacht, dass allerwärts die Natur durch den schrankenlosen Materialismus der Neuzeit und durch die hemmungslose Ausbeutung aller ihrer Schätze der Gefahr ausgesetzt ist, eine erschreckende Verflachung, Verödung und Verarmung zu erleiden." So pathetisch, wie es der Zeit entsprach, begrüßte der bayerische Staatsrat von Reuter am 26. Juli 1925 in München die Teilnehmer des ersten Deutschen Naturschutztages. Sie waren aus ganz Deutschland, aus Österreich, Tirol und der Schweiz angereist.

Sehr unterschiedliche Menschen und Gruppen, von volkstümelnden Wertkonservativen bis hin zu kritischen Pfarrern, waren auf der dreitägigen Versammlung vertreten. Ihr erklärtes Ziel war es, "solche Kreise des Volkes, die dem Naturschutzgedanken bisher teilnahmslos gegenüber standen, über die volkstümliche Bedeutung des Naturschutzes aufzuklären und so für die Ziele der Bewegung zu gewinnen". Beim "Kampf gegen die Verunglimpfung der Natur", so der Staatsrat weiter, sei "auch die Presse ein unentbehrliches Hilfsmittel".

Der Naturschutz, der sich zuerst auf der Ebene der deutschen Länder und durchaus mit staatlicher Unterstützung zu organisieren begann, hatte sehr unterschiedliche Quellen. In der Weimarer Verfassung war der damals so genannte "Schutz der Naturdenkmäler" zur staatlichen Aufgabe erklärt worden. Die bayerische Staatsforstverwaltung hatte, weithin beachtet, ein erstes, 20 000 Hektar großes Naturschutzgebiet am Königssee ausgewiesen. Mitte der zwanziger Jahre stabilisierte sich zudem für kurze Zeit die Demokratie in Deutschland und das gab Zukunftshoffnungen, von denen auch die noch sehr heterogenen ökologischen Ansätze profitierten.

Filme und Lichtbilder-Vorträge wurden bei der Münchner Konferenz angeboten, um "Aufklärung und Anregung zu Gegenständen des Landschaftsschutzes, des Pflanzenschutzes und des Schutzes aussterbender Tierarten zu bringen". Man verwies auf die gleichzeitig in München stattfindende Deutsche Verkehrs-Ausstellung. Dort wurde zum ersten Mal in einer Sonderschau das Thema "Naturschutz und Verkehr" dargestellt. Allerdings sah man die Probleme noch sehr oberflächlich. Gezeigt wurden zum Beispiel "Verkehrsanlagen, die sich in besonders glücklicher Weise in das Landschaftsbild einfügen".

Stark wehten auch national-chauvinistische Ideen durch die Naturschutzbewegung. "Die Schönheit und Eigenart der Natur in unserer deutschen Heimat ist die Quelle der Heimatliebe und damit die Wurzel derjenigen Kräfte, die zu Deutschlands Wiedererstarkung führen können" - so ähnlich war es auf dem ersten Deutschen Naturschutztag zu hören. Der Blick auf die weltweiten Probleme der Ausbeutung von Mensch, Tier und Natur war noch nicht geschärft. Da hätte man damals allerdings von England lernen können, wo im 19. Jahrhundert William Wilberforce gleichzeitig für den Tierschutz und die Abschaffung der Sklaverei gekämpft hatte.

Im Rückblick auf das historische Treffen vor 75 Jahren sagt der heutige Vorsitzende des "Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland" (BUND), Hubert Weinzierl: "Es gingen Botschaften aus, deren Wirkungsgeschichte Jahrzehnte dauerte, bis das Gedankengut in die gesellschaftspolitische Diskussion unserer Tage aufgenommen wurde." Der bayerische evangelische Umweltpfarrer Rainer Hennig verweist dagegen beim Rückblick auf den ersten Deutschen Naturschutztag auf die bleibende internationale Dimension

1992 erließ die Europäische Union die "Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie" zum Erhalt der natürlichen Lebensräume der wild lebenden Pflanzen und Tiere in Europa. Die Mitgliedsländer sollen zehn Prozent ihrer Landesfläche dafür bereit stellen, um ein möglichst zusammenhängendes europäisches ökologisches Netz zu knüpfen. Bis 1999 hatte Deutschland gerade mal 1,7 Prozent geschafft.

Heinz Brockert

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