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Gesundheit: Neues Mittel gegen Blutvergiftung Verklumpen des Blutes gestoppt

Nur einen winzigen Moment hatte sich Jörg F. beim Schneiden der Zehennägel ablenken lassen.

Nur einen winzigen Moment hatte sich Jörg F. beim Schneiden der Zehennägel ablenken lassen. Schon war sie da: Eine Schnittwunde – klein zwar, doch für die Bakterien auf der Haut des jungen Mannes ein riesiges Einfallstor und der Ausgangspunkt einer Infektion der Blutbahn. Und weil die weißen Blutkörperchen diesmal mit den Eindringlingen nicht fertig wurden, entwickelte sich innerhalb von wenigen Tagen eine Blutvergiftung, die Jörg F. ums Haar zum Verhängnis wurde. Zittern und Schüttelfrost, gleichzeitig hohes Fieber und Übelkeit waren die Warnzeichen. Hätte der Arzt die Eindringlinge nicht mit einer geballten Dosis Antibiotika vernichtet, wäre Jörg F. womöglich Teil einer makabren Statistik geworden. Mit bis zu 160 000 Patienten jährlich ist die Blutvergiftung (Sepsis) häufiger als Brust- und Darmkrebs zusammen genommen – und sie ist kaum weniger tödlich.

Besonders gefährdet sind die Opfer schwerer Unfälle und Krankenhauspatienten, die bereits eine Infektion in sich tragen. Jährlich 63 000 schwere Fälle müssen wegen Organversagens auf der Intensivstation behandelt werden, schätzt die kürzlich gegründete Deutsche-Sepsis-Gesellschaft. Erstmals haben die Mediziner dabei ein wirksames Medikament zur Hand, mit dem sich die Zahl der Todesopfer womöglich um ein Viertel senken ließe.

Dies zumindest sind die Daten aus klinischen Versuchen mit dem Wirkstoff Drotrecogin alfa. Unter dem Handelsn Xigris ist das Medikament bereits seit einem halben Jahr in den USA im Einsatz; in Kürze erwartet die Herstellerfirma Eli Lilly auch die Zulassung für den europäischen Markt.

Xigris ist die gentechnisch hergestellte Variante eines natürlichen Eiweißes, des aktivierten Protein C. Es hindert das Blut vor dem Verklumpen und hemmt Entzündungen. Damit der Körper ausreichend aktiviertes Protein C bilden kann, müssen allerdings zwei weitere Eiweiße an den Wänden der Blutgefäße zusammen kommen – und eben diese Gefäßwände versagen bei einer schweren Blutvergiftung den Dienst.

Die Herstellung von aktiviertem Protein C erwies sich als gewaltige Herausforderung für die Biotechnologen. Das Molekül zählt zu den kompliziertesten Substanzen, die man bisher mit Hilfe der Gentechnik geschaffen hat, berichtet Betty Yan, die das Projekt bei Eli Lilly mehr als zwei Jahrzehnte geprägt hat. Das Eiweiß ist etwa zehn Mal größer und komplexer als die erste gentechnisch hergestellte Arznei, das Insulin. Spritzt man das fehlende Eiweiß in den ersten Tagen der Blutvergiftung, so verbessern sich die Überlebenschancen der Patienten erheblich.

In einer Studie mit insgesamt 1690 Patienten aus elf Ländern starben ohne Xigris 30,8 Prozent, mit Xigris dagegen „nur“ 24,7 Prozent der Versuchsteilnehmer. Der Unterschied beträgt also fast ein Fünftel . Michael Simm

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