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Gesundheit: Nicht nur ein politischer Komponist

Die Hanns-Eisler-Musikhochschule und ihr Namensgeber / Konzerte zum 100.GeburtstagVON DOROTHEE NOLTENach der Wende tobte ein Streit an der kleinen Musikhochschule am Gendarmenmarkt: Sollte man weiter den Namen Hanns Eislers tragen, des Komponisten also, der die DDR-Nationalhymne komponiert und zweimal den "Nationalpreis 1.

Die Hanns-Eisler-Musikhochschule und ihr Namensgeber / Konzerte zum 100.GeburtstagVON DOROTHEE NOLTENach der Wende tobte ein Streit an der kleinen Musikhochschule am Gendarmenmarkt: Sollte man weiter den Namen Hanns Eislers tragen, des Komponisten also, der die DDR-Nationalhymne komponiert und zweimal den "Nationalpreis 1.Klasse der DDR" erhalten hatte? Damals entschied man sich nur mit knapper Mehrheit dafür.Im Jahre 1998 ist von derartigen Auseinandersetzungen nichts mehr zu spüren: Die Hochschule widmet ihrem Namensgeber aus Anlaß seines 100.Geburtstags im Juli eine Reihe von Konzerten und Veranstaltungen. An der Person Hanns Eisler und ihrem musikalischen Schaffen gibt es noch einiges zu entdecken."Je länger ich mich mit ihm beschäftige, desto stärker fasziniert er mich", sagt Christoph Poppen, Violonist und seit zwei Jahren Rektor der Hochschule."Er war eine ungeheuer vielschichtige Persönlichkeit, und man wird ihm nicht gerecht, wenn man ihn nur als den politischen Komponisten der DDR sieht.Ich glaube, daß er mit hohen Zielen angetreten ist, am Ende aber politisch total enttäuscht war." Schon als Jugendlicher war Eisler, der in Leipzig geboren wurde und bald darauf mit seiner Familie nach Wien übersiedelte, sozial engagiert.Obwohl er aus bürgerlichem Hause stammte - sein Vater war Philosophieprofessor -, leitete er bereits mit 19 Jahren zwei Wiener Arbeiterchöre."Das war purer Idealismus", sagt Christoph Poppen.Er studierte bei Arnold Schönberg, zog 1925 nach Berlin und begann, mit dem Schauspieler Ernst Busch und mit Bertolt Brecht zusammenzuarbeiten.1932 wurden Kompositionen von ihm verboten und beschlagnahmt, 1933 mußte er ins Exil.Zunächst hielt sich Hanns Eisler in verschiedenen westeuropäischen Ländern auf, bis er ab 1938 Aufnahme in den USA fand. Als dort die Kommunistenhatz McCarthys begann, bekam Hanns Eisler wieder Probleme."Seine internationale Bedeutung als Komponist kann man schon daran ersehen, welche Persönlichkeiten sich damals für ihn eingesetzt haben", sagt Christoph Poppen und zählt große Namen auf: Leonard Bernstein, Igor Strawinsky, Charlie Chaplin, Thomas Mann, Albert Einstein, die Maler Picasso und Matisse sowie die Dichter Louis Aragon und Paul Eluard.Doch sie protestierten vergeblich: 1948 wurde Hanns Eisler ausgewiesen. In Ost-Berlin, wo er die letzten vierzehn Jahre seines Lebens verbrachte, gelangte Hanns Eisler zu Ruhm als der Komponist zahlreicher Arbeiterlieder, Filmmusiken und der Nationalhymne.Er war Professor für Komposition an der, wie sie damals hieß, "Deutschen Hochschule für Musik Berlin" (gegründet 1950) und zuletzt auch Präsident des Musikrats der DDR.1964, zwei Jahre nach dem Tod Eislers, wurde die Hochschule nach ihm benannt: "Damals war das ein ideologisch-politisches Signal, heute ist es uns eine Herausforderung." Poppen sieht Eislers politisch inspirierte Arbeiten als nur eine Facette seines Werks; er habe zahlreiche Werke von weit höherem Niveau geschrieben als jene "profanen Lieder, mit denen er versuchte, die Sprache der Masse zu sprechen". Im Laufe des Jubiläumsjahres führen Studenten und Mitarbeiter der Hochschule viele Werke Eislers auf, am 15.März zum Beispiel sein Streichquartett aus dem Jahre 1938.Zur Eröffnung der Hanns-Eisler-Ausstellung in der Akademie der Künste wird am 14.Juni das selten gespielte Stück "Höllenangst" von Johann Nepomuk Nestroy zu Musik von Hanns Eisler zur Aufführung kommen, es spielen Studenten der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch.Am 6.Juli, Eislers Geburstag, wird eine Party stattfinden, und für den Internationalen Karl Klingler Wettbewerb, den die Hochschule Anfang April ausrichtet, üben zwanzig Quartette aus verschiedenen Ländern Hanns Eislers Streichquartett ein.Im November wird, wie jedes Jahr, der "Hanns Eisler Preis für Komposition und Interpretation" verliehen. Erst kürzlich hat Christoph Poppen in der Staatsoper Eislers "Ernste Gesänge" dirigiert, ein Werk, das er wenige Tage vor seinem Tod geschrieben hat.Aus diesem Werk habe er mehr über die DDR erfahren als aus vielen Vorträgen, sagt Poppen - über die ungeheure Spannungslandschaft, in der ein Künstler damals lebte: "Musikalisch habe ich das so empfunden: Da blühen immer wieder Gefühle auf, eine romantische Sehnsucht nach Glück und Frieden, die dann aber abrupt zurückgenommen, unterdrückt werden." Offiziell hat sich Eisler nie von der Politik des Regimes abgewandt."Er glaubte an die Idee und dachte wohl, es gibt nichts Vollkommenes auf der Welt, die Unvollkommenheiten müsse man in Kauf nehmen.Aber ich bin überzeugt, daß unter seiner oft rauhen, sarkastischen Oberfläche eine zarte Seele steckte, die sehr gelitten hat." Das vollständige Programm der Jubiläumsveranstaltungen ist unter der Telefonnummer 20309 2003 zu erhalten.

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