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Gesundheit: Nix gewohnt

Kaserne oder Container: Ein erschwingliches Apartment zu finden ist für Studenten unmöglich – in München. In Berlin dagegen wird um sie geworben

Vor der Tür steht ein Container, aus dem alte Matratzen und lose Stuhlbeine ragen. Der Glaseingang ist zersplittert. Auf dem langen Flur liegen demolierte Waschbecken und zerbrochene Spanplatten. „Herzlich willkommen in meinem Zuhause“, sagt Peter. Der 20-Jährige studiert Medizin im ersten Semester – an der Universität München. Bevor er sein erstes Anatomie-Lehrbuch aufgeschlagen hat, wurde er Opfer des Münchner Wohnungsmarkts, der unter Studenten als gnadenlosester in ganz Deutschland gilt.

Besonders schlimm sei die Wohnungsnot in Bayern, Baden-Württemberg und Hessen, sagt der Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks, Achim Meyer auf der Heyde. Aber auch in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen fänden Studienanfänger nur sehr schwer günstige Unterkünfte. In den östlichen Bundesländern dagegen ist die Lage gut: In Berlin, Dresden und Leipzig stehen viele Wohnungen leer – da akzeptiert man dann auch gerne Studenten als Mieter. Die Berliner Wohnungsbaugesellschaft Degewo lockt Studenten ganz aktiv mit halbierten Mieten für ein Jahr. Bis Mitte November gilt das Angebot. Danach wolle die Degewo mit neuen Aktionen „langfristige Beziehungen zu studentischen Mietern aufbauen“, sagt Degewo-Sprecherin Erika Kröber. Die gute alte Elternbürgschaft braucht man allerdings noch immer.

In München ist das Klima sehr viel rauer. Der Neu-Münchner Peter wohnt in einer ehemaligen Kaserne, die das Studentenwerk als Notunterkunft für die neuen Erstsemester hergerichtet hat. Er ist einer von 8000 Erstsemestern in der bayerischen Landeshauptstadt, die in diesem Jahr nach einer Bleibe suchen. Für sie gibt es ganze 700 Wohnheimplätze, die Apartements auf dem freien Markt sind für die meisten Studenten schlicht zu teuer.

Sechs Euro pro Nacht kostet Peters Notquartier in der ehemaligen Kaserne, die in den nächsten Monaten zu einem ordentlichen Studentenwohnheim umgebaut werden soll. Nicht mal ein Stuhl steht in Peters 15-Quadratmeter-Bude, auf dem Bett liegt ein Schlafsack und auf dem Tisch stapeln sich seine Habseligkeiten. Der kleine Schrank reicht gerade mal für die Winterjacke und ein paar Hemden. Auf der Warteliste für ein Wohnheim steht Peter an Stelle siebenhundertnochwas, damit ist er ein aussichtsloser Fall. Und der freie Wohnungsmarkt ist dem Bafög-Empfänger schlicht zu teuer: „Ein Zimmerchen zur Untermiete kostet mich 500 Euro, und das geht einfach nicht!“ Seine Rettung war schließlich eine gute Freundin, deren Freund jemanden kennt, der in einem privaten Wohnheim lebt. Da soll er jetzt ein Zimmer für 270 Euro pro Monat bekommen.

Nach den Maßstäben des Studentenwerks ist das am obersten Ende der akzeptablen Preisskala. Denn der Bafög-Höchstsatz liegt bei 585 Euro pro Monat. „Wenn die Studenten das alles für Miete bezahlen, haben die ja nichts mehr zum Essen“, sagt Helmut Gierke, der beim Studentenwerk für die Wohnheime zuständig ist. Aber wählerisch seien auch die Münchner Studenten – trotz der extremen Wohnungsnot. Sie wollen zentral wohnen, am liebsten im Studentenwerk-Wohnheim direkt am Englischen Garten, zwei Minuten von der Uni entfernt. Die Warteliste laufe da vier Jahre lang im Voraus, sagt Gierke. Schneller geht’s bei vielen Wohnheimen am Stadtrand, die zum Teil sogar noch wesentlich preiswerter sind.

Wie in der Studentenstadt im Norden Münchens: Hier bezahlt Christoph pro Monat 170 Euro – in Deutschlands wohl berühmtestem Wohnheim. Der angehende Luft- und Raumfahrtingenieur wohnt in der Containersiedlung, die das Studentenwerk vor zwei Jahren aufgebaut hat, um dem Massenansturm Herr zu werden. Neun Container nebeneinander, zwei Stück übereinander, fertig ist die Studentenbude. Die Wände sind aus Resopal-Holzimitat, an der Decke hängen Baustellenlampen. „Aber damit kann ich bestens leben“, sagt Christoph. Immerhin werden die Nachteile aufgewogen durch Zentralheizung, Kabelanschluss und Internet-Standleitung. Inzwischen entwickelt die ungewohnte Siedlung im Grünen eine verblüffende Eigendynamik: Eigentlich habe das Studentenwerk die Container mehr symbolisch aufgebaut, um auf die schlimme Wohnungssituation in München hinzuweisen“, sagt Gierke. Nachdem alle Fernsehsender damals ihre Reporter geschickt hatten, sollten die Container wieder weg – „aber den Studenten gefällt’s da drin so gut, die wollen gar nicht mehr raus!“

Infos zum Berliner Wohnungsmarkt:

www.studentenwerk-berlin.de/wohnen/index.html

www.degewo.de

Kilian Kirchgeßner

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