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Gesundheit: Noch profitieren Patienten von der Genforschung nur sehr bedingt

"Früher haben wir gedacht, unser Schicksal stünde in den Sternen. Heute wissen wir, es liegt mehr oder weniger in unseren Genen.

"Früher haben wir gedacht, unser Schicksal stünde in den Sternen. Heute wissen wir, es liegt mehr oder weniger in unseren Genen." Das meinte vor ein paar Jahren der Medizin-Nobelpreisträger James Watson. Das Humane Genom-Projekt, das sich seit 1990 der Analyse und Lokalisation der etwa 100 000 menschlichen Gene widmet, trägt entscheidend zu diesem Wissen bei. In der Medizin wird von dem enormen Wissenszuwachs bisher allerdings vorwiegend das diagnostische Arsenal bereichert.

Hunderte von Erbkrankheiten sind bereits molekulargenetisch diagnostizierbar, viele von ihnen schon vor der Geburt oder "in vitro" an Embryonen, vor ihrem Transfer in die Gebärmutter. Zunehmend wird der Nachweis defekter Gene auch bei Menschen möglich, die selbst nicht an einer Erbkrankheit leiden. Die Klassifikationen vieler Krebserkrankungen, etwa der Leukämien, werden immer genauer, Risikogruppen für seltene Krebsleiden können durch Gentests präzise herausgefiltert werden, etwa Trägerinnen der Brustkrebs-Gene BRCA 1 und BRCA 2 oder Menschen, die unter Familiärer Adematöser Polyposis leiden und ein hohes Darmkrebs-Risiko tragen.

Gewachsen sind mit dem Wissen vor allem die ethischen Fragen: Sollen Krankheiten diagnostiziert werden, die nicht geheilt werden können und erst im späteren Leben ausbrechen wie Chorea Huntington (Veitstanz)? Welche Konsequenzen hat das Wissen? Denn die Therapie von Krankheiten mit den Mitteln der Molekularbiologie hält mit diesen diagnostischen Möglichkeiten bisher keinesfalls Schritt. Prinzipiell muss unterschieden werden zwischen der somatischen Gentherapie und der Keimbahntherapie, für die Gene in Keimzellen eingeschleust werden. Diese Versuche zur "züchterischen Verbesserungen des Menschen" durch Veränderung des Erbguts, die in Deutschland und vielen anderen Ländern verboten sind, bezeichnete Ernst-Ludwig Winnacker, der Präsident der deutschen Forschungsgemeinschaft, vor kurzem in einem Vortrag in Berlin als absolut abzulehnenden Irrweg.

Gefährliche Gentaxis

Die somatische Gentherapie dagegen, für die gesunde Gene oder spezielle therapeutische Gene in Zellen eines Kranken eingeschleust werden, ist ethisch weniger problematisch, denn sie erzeugt keine genetischen Veränderungen, die an die Nachkommen weitergegeben werden, und dient dem Ziel der Heilung. Doch viele Erfolg versprechende Ansätze scheiterten bisher an technischen und medizinischen Hürden. So können Viren, die als "Gentaxis" solche Gene gezielt an den Ort ihres Wirkens bringen sollen, dem Patienten selbst gefährlich werden.

Die meisten klinischen Studien beziehen sich augenblicklich auf Krebserkrankungen. Erfolg versprechend scheinen hier zum Beispiel Strategien zur Stärkung des körpereigenen Abwehrsystems durch das Einschleusen von gentechnisch veränderten Tumorzellen, die nach der Rückübertragung das Immunsystem aktivieren.

Dass das rapide wachsende Wissen über die molekularbiologischen Grundlagen der Krebsentstehung bisher für die Behandlung von Kranken praktisch kaum Auswirkungen hat, war fast ein Leitmotiv des Deutschen Krebskongresses vor zwei Wochen in Berlin. "Die Gentherapie ist bisher nur eine Hoffnung für den Patienten. Trotz gegenteiliger Meldungen ist es noch nicht gelungen, den entscheidenden Durchbruch bei der Behandlung von Tumorerkrankungen durch eine Behandlung mit Genprodukten in der Klinik zu erzielen", so Kongresspräsident Lothar Weißbach, Urologe am Urban-Krankenhaus. Von der "genetischen Schluckimpfung" sei man noch weit entfernt, so sagt auch Winnacker, Mitbegründer und Leiter des Genzentrums München. Er fügt allerdings hinzu: "Sie wird aber kommen."

Adelheid Müller-Lissner

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