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Gesundheit: Noten mit Gulasch

Der Dirigent Mariss Jansons probt voll Leidenschaft mit Studenten

„Achtung“, tönt es durch den Konzertsaal der Universität der Künste, während die Hochschüler Brahms zweite Sinfonie spielen, „das ist eine Phrase, ja, ja, und jetzt dolcissimo, linke Hand, singen, singen, viel singen! Jede Note ist doch Gold wert. Wie viel Karat? 500!“

Am Pult steht Mariss Jansons, Stardirigent zwischen München, Pittsburgh und Berlin. Zwischen zwei Konzerten mit den Berliner Philharmonikern kümmert er sich (für umsonst!) um den musikalischen Nachwuchs. Die Leidenschaft, mit der er die Orchesterwerkstatt leitet, lässt den Gedanken an manchen furztrockenen deutschen Hochschulunterricht gar nicht erst aufkommen.

Dabei beginnt Jansons nicht stürmisch, sondern konzentriert. Bevor er am ersten Satz arbeitet, lässt er ihn durchspielen. Doch er hat genau zugehört! Seine immer charmanten Korrekturen beziehen sich auf das Wesentliche eines musikalischen Abschnitts: Mal sind es die Melodiebögen in den Streichern, mal ein exemplarisches Fortepiano in den Holzbläsern. Im letzten Satz bricht er ab und sagt: „Wissen Sie, das muss hier ungarisch klingen: also, bitte, ein bisschen Gulasch!“

Doch Jansons muss selten Bilder gebrauchen, um den Klang zu bekommen, den er will. Sein Körper spricht deutlich genug. Was aus der Perspektive des Publikums wie ein fast grobes Schlagbild wirkt, ist aus der Sicht des Orchesters ein Ausdruck, der von einer tiefen Empfindung der Musik zeugt. Jansons ist mal so wuchtig, mal so zart, dass man die Musik, die er meint, förmlich voraushören kann.

Am meisten profitieren davon die Studenten der Dirigierklasse der UdK. Sie sitzen hinter den Bläsern und schauen dem Meister ins Gesicht – zunehmend mit offenem Mund. Denn gegen Ende des Workshops wird Jansons immer intensiver. Sein Handtuch gegen den Schweiß kommt jetzt nach jedem Abbrechen zum Einsatz; den bereitgestellten Stuhl benutzt er schon lange nicht mehr. Man sollte meinen, hier verbrennt sich ein Dirigent: weder für ein Konzert noch für eine Aufnahme, sondern ganz einfach, um Musik zu vermitteln.

Mit einem Prasseln der Bögen auf den Pulten danken es ihm die Musiker – verstärkt vom Applaus des Publikums. Manch Profi, die Partitur auf den Knien, hat sich hier eingeschlichen. Vielleicht nicht nur um Brahms zu hören, sondern eine Idee davon zu bekommen, wie viel Spaß es machen kann, Erfahrung weiterzugeben.

Joscha Schaback

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