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Gesundheit: Permanente Revolution

TURNERS THESEN zu Bildung und Politik Reformen haben Konjunktur. Auch die Hochschulen sollen wieder einmal reformiert werden.

TURNERS THESEN

zu Bildung und Politik

Reformen haben Konjunktur. Auch die Hochschulen sollen wieder einmal reformiert werden. Dies hört man nun seit mindestens 35 Jahren. Dabei ist es ein Mythos, das Jahr 1968 mit dem Aufbrechen studentischer Proteste markiere den Beginn von Reformen. Tatsächlich sind die Arbeiten des 1957 von Bund und Ländern eingerichteten Wissenschaftsrats mit den Empfehlungen zur Reform der Hochschulen fünf bis zehn Jahre älter als der Höhepunkt des Studentenprotestes.

Die längst fällige Reform war allerdings so überfällig geworden, dass sie in Revolution ausartete. Seinerzeit ging es um die Einrichtung von Gesamthochschulen, eine Verkürzung des Studiums und die Modernisierung und Stärkung der Hochschulselbstverwaltung. Dazu kamen noch politische Forderungen: Die Ordinarienuniversität sollte abgeschafft und die „ Demokratisierung der Entscheidungen“ eingeführt werden. All dies führte zu einer Gesetzesflut. Um 1970 waren die ersten Landeshochschulgesetze erlassen. Und seitdem gibt es fast in jeder Legislaturperiode in jedem Bundesland wenn schon kein neues Gesetz, so doch zumindest Novellen. Das, was die Reformer wollten, ist zersplittert, uneinheitlich und stellt niemals alle zufrieden.

Folglich gibt es kein einheitliches Bild von den Hochschulen. Abhängig vom politischen Verständnis werden die Universitäten entweder als Hort der vorurteilsfreien Wissenschaft verstanden oder als Institutionen, die zur Durchsetzung von Klasseninteressen befähigen sollen.

Die als richtig erkannten strukturellen und inhaltlichen Reformen sind unterdessen verschleppt, zerredet und konterkariert worden. Auch derzeitig wird Reform höchst unterschiedlich verstanden. Die einen möchten mehr Effizienz und Leistung, die anderen hängen noch immer den Idealen der 68er nach. Die Konsequenz: Weiterhin werden Reformvorhaben höchst divergierende Ergebnisse hervorbringen. Das bedeutet, dass die Hochschullandschaft noch bunter und vielgestaltiger wird, als sie heute ist. Das mag als Vielfalt infolge eines Wettbewerbs zu begrüßen sein; es bedeutet aber auch Unübersichtlichkeit und Probleme bei der Orientierung. In jedem Bundesland gibt es Besonderheiten; zum Teil wird die Freiheit der Gestaltung an die Hochschulen weiter gegeben.

Die Alternative wäre eine weiter gehende Zuständigkeit des Bundes mit allgemeinen Vorgaben. Dies aber erscheint angesichts der aktuellen Politik nicht wünschenswert, wenn man daran denkt, dass dort das Verbot der Erhebung von Studiengebühren zum Dogma erhoben wurde und so überflüssige Regelungen wie die verfasste Studentenschaft als Zwangskörperschaft in das Hochschulrahmengesetz gezwungen wurden.

Berlins Wissenschaftssenator a.d.

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