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PROF. TSOKOS ermittelt: Beim Sex stranguliert

Von Michael Tsokos , der Leiter der Berliner Rechtsmedizin über bizarre autoerotische Praktiken mit Todesfolge.

Es ging um den Kick, um ein außergewöhnliches Erlebnis – und endete fatal. Als der Schauspieler David Carradine vor knapp zwei Wochen tot in einem Hotelzimmer in Bangkok aufgefunden wurde, beherrschten seine Vorlieben für ungewöhnliche Sexpraktiken die Schlagzeilen: Carradine wurde mit einer Schlinge um Hals und Genitalien aufgefunden, er starb beim Masturbieren, vermutlich infolge einer Strangulation. Die Rechtsmedizin spricht hierbei von autoerotischen Unfällen mit Todesfolge.

Mit solchen Fällen haben auch wir jährlich etwa zehn Mal zu tun. Wir obduzieren, um Fremdeinwirkung auszuschließen. Die Opfer sind in der Regel Männer. Frauen scheinen diesbezüglich weniger risikofreudig zu sein. Die Orte, an denen sie aufgefunden werden, weisen meistens schon auf die Todesumstände hin. Es finden sich Fetischbekleidung, pornografische Literatur, Sexspielzeuge, Spiegel. Auffällig oft sind Haken an der Decke oder den Wänden befestigt, die den Betroffenen als Aufhängevorrichtung dienen. Manche finden es auch reizvoll, ihre Genitalien mit elektrischem Strom zu reizen. Ihnen kann dann die Berührung mit einem geerdeten Leiter zum Verhängnis werden.

Unterschätzen diese Menschen die Risiken ihrer Praktiken? Oder nehmen sie sie bewusst in Kauf? Die Wissenschaft diskutiert verschiedene Thesen. Eine besagt, dass der Sauerstoffmangel im Blut – verursacht durch Strangulation oder Gesichtsmaske – vermehrt Transmitterstoffe im Gehirn ausschüttet. Der Körper versucht gegen die drohende Erstickung anzukämpfen, indem er auf Hochtouren arbeitet. Das erzeugt einen Rausch, der dem bei Drogenkonsum entspricht. Um den Effekt zu verstärken, ziehen manche Menschen eng anliegende Bekleidung aus Latex oder Neopren an. Sie übt Druck auf den Brustkorb aus, das erschwert das Atmen. Denkbar ist aber auch, dass durch die Extremsituation vermehrt Stresshormone ausgeschüttet werden, die die Erregung steigern.

Berichte über Todesfälle infolge autoerotischer Unfälle treten in der gerichtsmedizinischen Literatur erst seit 1900 auf. Die meisten Opfer sind zwischen 15 und 30 Jahre alt. Besonders nachhaltig in Erinnerung geblieben ist mir der Fall eines 27-Jährigen. Dessen Freundin konnte ihn mehrere Tage nicht erreichen und alarmierte den Vater. Als dieser die Wohnung betrat, fand er seinen Sohn tot in einer selbst gebastelten Hängevorrichtung, bekleidet mit Latexstrümpfen, Korsage und Langhaarperücke. Bei der Masturbation war er mit dem Hals in eine Schlinge gerutscht. Er konnte sich nicht mehr befreien und strangulierte sich.

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