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PROF. TSOKOS ermittelt: Haare sind verräterisch

Der Leiter der Berliner Rechtsmedizin weiß genau, wie viel Alkohol lebende und tote Menschen getrunken haben.

Vielleicht ahnte der Mann bereits, dass ihm Konsequenzen drohen, als er zum Termin beim Betriebsarzt erschien. Als Pilot hatte er sich regelmäßigen arbeitsmedizinischen Untersuchungen zu unterziehen und sollte nun eine Haarprobe abgeben. Der Betriebsarzt entnahm ihm die Probe am Hinterkopf und schickte sie im versiegelten Umschlag an unser Labor für Forensische Toxikologie. Wir analysierten die Proben auf Spuren von Drogen oder Alkohol.

Dass der Konsum von Kokain anhand von Haarproben nachgewiesen werden kann, ist nicht erst seit dem Fall des Fußballtrainers Christoph Daum bekannt. Seit Kurzem können aber auch Alkoholrückstände nachgewiesen werden. Unser Labor hat vor acht Jahren eine Methode entwickelt, mit der das Vorhandensein von Fettsäureethylesther und Ethylglucoronid im Haar untersucht wird. Je nach Stärke der Einlagerungen kann man zwischen keinem, gelegentlichem, gesteigertem und chronisch-exzessivem Konsum unterscheiden.

Möglich ist das, weil Haare wie Zeitschreiber funktionieren. Sie wachsen einen Zentimeter pro Monat und lagern Rückstände konsumierter Lebensmittel ein. Mit der von der Charité entwickelten Untersuchungsmethode lassen sich dezidierte Aussagen über das Trinkverhalten einer Person treffen, und das bereits sehr zeitnah. Die Ergebnisse von Blutuntersuchungen sind nicht so genau. Und Psychologen kann man bei einer Abhängigkeitserkrankung täuschen. Insofern revolutioniert die Methode viele Bereiche, zum Beispiel die medizinisch-psychologische Untersuchung auffälliger Autofahrer, gemeinhin als „Idiotentest“ bekannt. Bezüglich Alkoholismus liefert sie härtere Fakten als eine Befragung durch Psychologen. Aber auch bei den Toten, die wir täglich obduzieren, wird sie angewandt. Es kann zum Beispiel sein, dass die Untersuchung des Blutes und der Organe keine Hinweise auf Alkoholkonsum liefern, die der Haare aber schon.

Seit 2008 bieten wir unsere Dienstleistung der Lufthansa an. Rund 200 Haarproben von Piloten untersuchen wir jährlich. Den Betriebsärzten stellen wir von uns entwickelte Haarentnahmesets zur Verfügung, die eine lückenlose Beweiskette sicherstellen. Die zu untersuchende Person bestätigt ihr Einverständnis per Unterschrift. Zwei bis drei Wochen nach dem Erhalt der Probe steht das Laborergebnis fest und wird dem Betriebsarzt schriftlich mitgeteilt. Gleich der allererste Pilot, dessen Haare wir untersucht haben, war chronisch-exzessiver Alkoholiker.

Viele weitere medizinische Themen, Beratung und Information finden Sie auch in unserem Gesundheitsportal: www.gesundheitsberater-berlin.de

Michael Tsokos

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