zum Hauptinhalt

PROF. TSOKOS ermittelt: Plötzlich war die Truhe zu

Rechtsmediziner Michael Tsokos erzählt aus seinem Alltag

Die zwei Mädchen waren sechs und sieben Jahre alt. Sie hatten sich nichts Schlimmes dabei gedacht, als sie in die große, schwere Holztruhe auf dem Dachboden stiegen. Sie wollten spielen, und dies schien ihnen der perfekte Ort, um sich zu verstecken. Ihr Versteck war gut. Zu gut. Nicht bedacht hatten sie das Schnappschloss der Truhe. Als der Deckel zufiel, konnte er nur noch von außen geöffnet werden. Die beiden Mädchen waren in ihrem Versteck gefangen. Sie erstickten qualvoll.

Kinder sind beim Spielen sehr neugierig und fantasievoll. Ihr Gefahrenbewusstsein ist jedoch kaum ausgeprägt. Als Rechtsmediziner, und ganz besonders als Vater, ist man jedes Mal aufs Neue erschüttert, wenn ein Kind auf dem Obduktionstisch liegt. Pro Jahr obduzieren wir etwa 40 bis 50 Kinder, etwa die Hälfte ist durch Unfälle ums Leben gekommen. Unlängst war es ein vierjähriger Junge, der zu Besuch bei seiner Großmutter gewesen war. Als diese das Wohnzimmer für einen Augenblick verließ, steckte er eine Metallschraube in eine Steckdose und erlag einem Stromschlag. Sein Fall ist nur einer von vielen Beweisen dafür, wie sinnvoll Steckdosensicherungen sind, selbst in den abwegigsten Winkeln einer Wohnung. Ratsam ist auch ein Kochschutz am Herd, der verhindert, dass Kinder nach heißen Töpfen greifen und diese herunterziehen. Großflächige Verbrühungen können den Schutzmantel der Haut zerstören. Bakterien dringen in den Körper ein und verursachen Infektionen, die letztlich zum Tod führen können.

Anders ist es bei Unfällen im Wasser. Hier hilft kein noch so ausgeklügelter Schutz, sondern nur erhöhte Aufmerksamkeit. Für mich gilt der Grundsatz: Wenn ein Kind ertrinkt, ist immer ein Erwachsener schuld. Erst kürzlich machte der Fall eines vierjährigen Mädchens Schlagzeilen, das im Garten seines Vaters spielte. Dort befand sich ein größeres Planschbecken, das zu dieser Zeit eigentlich leer war. In der Mitte hatte sich jedoch Regenwasser gesammelt, das einige Zentimeter hoch stand. Zudem waren Laubblätter hineingefallen. Beides zusammen ergab rutschigen Belag. Das Mädchen fiel hin und konnte sich nicht wieder aufrichten. Als der Vater es bemerkte, lag es bereits bewusstlos im Pool. Der herbeigerufene Notarzt konnte das Kind nicht reanimieren. Abgesehen davon, dass Kinder einen proportional größeren Kopf haben als Erwachsene und sich damit bei ihnen der Körperschwerpunkt verlagert, haben sie auch noch kein sehr gutes Koordinationsvermögen. Daher kann ein kurzer Moment der Unachtsamkeit tödlich enden.

Viele weitere medizinische Themen, Beratung und Information finden Sie auch in unserem Gesundheitsportal: www.gesundheitsberater-berlin.de

Michael Tsokos

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false