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Gesundheit: "Prost Vollmond! Jetzt haben wir Dich!"

Wie beurteilen Sie heute, 30 Jahre nach der Mondlandung, das Apollo-Programm? Es sind mehrere Dimensionen, die man verstehen muß, um die Notwendigkeit des Apollo-Programms einzusehen.

Wie beurteilen Sie heute, 30 Jahre nach der Mondlandung, das Apollo-Programm? Es sind mehrere Dimensionen, die man verstehen muß, um die Notwendigkeit des Apollo-Programms einzusehen. Es war durch den Sputnik-Schock 1957 ausgelöst worden. Und dann kam der erste Flug eines Menschen, Juri Gagarin, ins All, Anfang der 60er Jahre. Das hat dem amerikanischen Volk schwer zu schaffen gemacht. Denn man bekam regelrecht Angst vor der Sowjetunion. Die Militärs, die damals die sowjetische Raumfahrt betrieben, zeigten der ganzen Welt, daß sie die Möglichkeit hatten, ihre schweren Atombomben halbwegs um die Erde herumzuschicken. Und außerdem kam der Gedanke auf, daß die Kommunisten vielleicht sogar ein besseres Bildungssystem hatten, die bessere Industrie, die bessere Wirtschaft, wenn sie so etwas fertigbrachten wie den Sputnik. Kennedy mußte seinem Lande irgendwie die Selbstsicherheit zurückgeben. Er brauchte eine Psychotherapie für die ganze Nation. Außerdem mußte er außenpolitisch der Welt zeigen, daß Amerika ebenfalls dieses Spannungsfeld errichten kann, ebenfalls Atombomben starten kann. So entstand ein Wettrennen zum Mond . . . für das Wernher von Braun mit seinem Team die Rakete Saturn V entwickelte. Wie weit war die Saturn V fortgeschritten, als Sie 1962, acht Jahre vor der Mondlandung, nach Huntsville zu von Brauns Team kamen? Als ich nach Huntsville kam, handelte es sich noch um eine "Gummirakete", wie wir das nannten. Die Größe der Treibstofftanks lag noch nicht fest, und wir konnten mit Hilfe von Computeruntersuchungen noch mit den Ausmaßen der Rakete spielen. Dank der Auswertung vieler, vieler Flugbahnen ermittelten wir schließlich die Saturn V, die dann bei dem geringsten Gewicht die größte Leistung aufbrachte. Kurz: Es gab damals nur grobe Entwürfe, und wir hatten noch nicht einmal die Anzahl der Motoren in der ersten Stufe festgelegt. Zunächst sollten es vier Motoren sein. In der Mitte war aber noch ein Loch, und dann hat einer von uns gesagt, warum tun wir da nicht noch ein fünftes Triebwerk rein? Und so entstand die Saturn V. Die Gegenseite arbeitete zu diesem Zeitpunkt ebenfalls an einer Mondrakete. Wie genau wußte man bei der Nasa über den Stand der russischen Entwicklungen Bescheid? Die Einzelheiten, die Pläne, die Fotografien der Starts, all das ist ja jetzt erst nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion ans Tageslicht gekommen. Aber immerhin hatten die Central Intelligence Agency und die anderen Spionagebehörden damals Spionagesatelliten. Sie wußten also, was die Konkurrenz tat? Ja. Es entstand eine Rakete dort drüben, die genauso groß war, wenn nicht sogar ein bißchen größer als die Saturn V. Sie ist viermal geflogen und viermal in der Luft explodiert. Es waren unbemannte Testflüge. Bei der zweiten Katastrophe fiel die Rakete, immerhin über 110 Meter hoch, wieder auf die Startrampe zurück und zerstörte die ganzen Startanlagen, die dann für zwei Jahre außer Gefecht waren. Das war ein enormer Rückschlag, und die Sowjets haben sich davon nie wieder erholt. Der dritte und der vierte Flug fanden nach der geglückten Mondlandung von Apollo 11 statt. Die Sowjets dachten, daß man vielleicht die verhaßten Amerikaner später noch durch die Errichtung einer Mondbasis schlagen könnte. Sie haben Unsummen verwendet und beim Bau dieses Super-Boosters eine bewundernswerte Ingenieurleistung vollbracht. Wir bei der Nasa hatten Fotos der Herkules, und dadurch spitzte sich natürlich das Rennen zu. Über den Wettlauf zum Mond hieß es einmal, daß die daran Beteiligten ein ganzes Jahrzehnt - die sechziger Jahre - verpaßt hätten. Was da startete, war unser Baby, an dem wir acht Jahre lang gearbeitet hatten. Mit einer Hingabe, die an religiösen Eifer grenzte. Der dann natürlich, wie bei normalem religiösen Eifer auch, seinen Zoll forderte von den Menschen, die für nichts anderes Zeit hatten. Wir waren acht Jahre lang eingespannt. Willentlich. Niemand hat uns gezwungen. Wir konnten morgens nicht früh genug im Büro sein, und abends wollten wir nicht nach Hause. Und das jahrelang. Kein Urlaub, gar nichts. Hat sich diese Mühe gelohnt? Man kann heute kaum noch beschreiben, wie wir uns im Juli 1969 fühlten. Eine Mischung aus Glück und totaler Entspannung. Jeder Zeitpunkt, jeder Schritt, den die Astronauten durchführen mußten, jedes Manöver, war eine Spannungsprobe, und alles verlief wie am Schnürchen. Die Landung selber war eine sehr spannende Angelegenheit, kein Hollywood-Drehbuch hätte dramatischer sein können. Zunächst einmal zeigte sich, daß die Landebahn falsch berechnet worden war. Dann fiel auch noch der Computer aus, und Neil Amstrong mußte am Schluß die Landefähre manuell aus einer Geröllhalde herausfliegen, in die ihn die fehlerhafte Flugbahn geführt hätte. Er war absolut cool. Er flog und flog und flog, und der Treibstoff ging zu Ende, und wir wurden blau im Gesicht und dachten: Wenn er nur endlich aufsetzen würde! Und als er dann endlich eine glatte Stelle fand und ihm Buzz Aldrin immer die Höhenwerte zurief, da ging ein Aufschrei durch unser Flugkontroll-Zentrum in Houston. Nachher stellten wir fest, daß nur noch für 20 Sekunden Flugzeit Treibstoff in den Tanks gewesen war. Die erste Mondlandung stand also doch ziemlich auf der Kippe. Jedenfalls sah es damals so aus. Später merkten wir, daß die Treibstoffwarnungen etwas übertrieben waren, weil der Treibstoff in den Tanks schwappte und die Treibstoff-Fühler einen Tank anzeigten, der leerer schien, als er wirklich war. Was geschah nach der Landung im Ozean? In der Nacht nach der glücklichen Landung hat Wernher von Braun in Huntsville zur Party gerufen. Da war so eine Art Campingplatz, und von Braun hat einige Fässer Bier gestiftet. Von Braun setzte sich einen Strohhut auf, und jemand drückte ihm eine Mandoline in die Hand. Wir alle guckten rauf in den Sternenhimmel. Der Vollmond war über uns, und wir haben gesagt: "Prost Vollmond! Jetzt haben wir Dich!" Ist die "Psychotheraphie" Kennedys Ihrer Meinung nach also erfolgreich gewesen? Ja, es war eine gelungene Psychotherapie. Die Amerikaner haben bis heute das ApolloProgramm nicht vergessen. Das Apollo-Programm wurde - wie alle Raumfahrtprogramme - immer wieder wegen der hohen Kosten und des geringen Nutzens kritisiert. Ist das für Sie nachvollziehbar? Niemand, jedenfalls nicht hier in Amerika, mäkelt an den Dollars herum. Die Leute wissen instinktiv, daß wir einem urmenschlichen Drang folgen. Apollo war ein Fanal, auf das viele Menschen mit einem lauten "Ja!" geantwortet haben. Auch unsere Astronauten, Neil Amstrong, Buzz Aldrin und Mike Collins im Orbit haben sich nicht als Amerikaner gesehen, sondern sie meinten "They came in peace for all mankind". So steht es ja auf der Plakette: Wir kamen in Frieden für die ganze Menschheit. Natürlich bedauerten viele Leute, daß wir damals nicht so ein internationales Team hatten, wie wir es heute bei der Internationalen Raumstation haben. Raumfahrt muß etwas Globales werden. Es sind Erdenkinder, die diese Grenzen überschreiten, und nicht nur einzelne Nationalitäten, die ein Wettrennen veranstalten. Bedauern Sie, daß die Nasa die Mondakten geschlossen hat? Ja, denn das ganze Apollo-Programm hat mit seiner Dynamik und Entschlußkraft ein Beispiel gesetzt. Mit der Zaghaftigkeit und Ängstlichkeit vieler politischer und technologischer Führer unserer Tage wäre es damals sicher zu keiner Mondlandung gekommen.

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