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© IMAGNO

Psychotherapie: Viele Wege führen auf die Couch

Zwei Menschen starben in Hermsdorf, weil ihnen bewusstseinsverändernde Drogen verabreicht wurden Gehören Medikamente überhaupt zur Psychotherapie? Und wie findet man den richtigen Therapeuten?

Witze können grausam sein. „Herr Doktor, ich habe immer wieder furchtbare Angst, vor der Pforte des Todes zu stehen“, sagt der Patient. Die Antwort: „Nur Mut, mein Lieber, ich bringe Sie schon durch!“ Der böse Scherz hat ungeahnte Aktualität gewonnen, nachdem ein Hermsdorfer Arzt für Allgemeinmedizin in einer Gruppensitzung „psycholytische“ Methoden angewandt hat, um mit bewusstseinsverändernden Mitteln seelische Verknotungen zu lösen. Zwei Menschen starben dabei, weitere Personen erkrankten schwer. Die Frage drängt sich auf, wie riskant ausgerechnet die Therapien sind, die die Seele eigentlich heilen sollen. 

WELCHE ROLLE SPIELEN MEDIKAMENTE IN DER BEHANDLUNG SEELISCHER ERKRANKUNGEN?

Die meisten Psychotherapeuten haben Psychologie studiert. Sie behandeln selbst nicht mit Medikamenten. Der Hermsdorfer Therapeut praktizierte allerdings als Arzt und konnte deshalb prinzipiell Arzneimittel verordnen – aber selbstverständlich nur zugelassene, keine illegalen, wie er es offenbar in diesem Fall getan hat.

Grundsätzlich sind Medikamente in der Psychiatrie eine wichtige Säule der Behandlung. „Wir geben allerdings nie Medikamente gezielt für eine psychotherapeutische Sitzung“, sagt Frank Schneider, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde. Vor allem in der Behandlung von Angststörungen und Depressionen gehen Pharmakotherapie beim Arzt und Psychotherapie beim Psychologen oft Hand in Hand. Die Behandler sprechen dann von einem multimodalen Konzept. „Viele unserer Patienten brauchen gerade zu Beginn Medikamente, um überhaupt therapiefähig zu werden“, sagt die Aachener Psychotherapeutin Barbara Lubisch von der Deutschen Psychotherapeutenvereinigung (DPtV).

UND WIE WAR ES FRÜHER?

Auf den dramatischen Ausgang der „psycholytischen“ Sitzung in Hermsdorf reagierten Experten vor allem deshalb mit Entsetzen, weil die Zeiten längst vorbei zu sein schienen, in denen man sich etwas vom Einsatz bewusstseinsverändernder Drogen in der Therapie versprach. „Die Bewusstseinserweiterung, die eine Therapie bewirkt, besteht doch gerade darin, dass jemand seine Probleme versteht. Das Tempo, in dem das abläuft, kann man nicht mit Drogen forcieren“, so DPtV-Vorsitzender Dieter Best. Stattdessen handelt sich der Patient womöglich eine akute Psychose oder eine schwere Phobie ein. „Wenn in den 40er und 50er Jahren einige Psychiater damit experimentiert haben, hatte das einen ganz anderen Stellenwert. Inzwischen wissen wir längst, dass es nichts bringt“, urteilt Frank Schneider.

Selbst der Psychologe Timothy Leary (1920 –1996), Idol der amerikanischen Hippie- und 68er-Bewegung, hatte LSD und Meskalin allenfalls für stabile, selbstbewusste Persönlichkeiten empfohlen. Weitaus naiver muss Sigmund Freud gewesen sein. Noch bevor er die Psychoanalyse entwickelte, setzte er in den 1880er Jahren auf Kokain, um einen Freund von seiner Morphiumsucht zu befreien. Auch sich selbst versuchte er damit zu stärken, und er befand: „Die Coca ist ein weit kräftigeres und unschädlicheres Stimulans als der Alkohol.“

WER DARF HEUTE ALS PSYCHO-THERAPEUT ARBEITEN?

Die meisten Psychotherapeuten sind heute studierte Psychologen. Um als Psychotherapeuten zugelassen zu werden, müssen sie eine zusätzliche Ausbildung absolvieren, die mindestens drei Jahre dauert. Auch Ärzte können nach einer Weiterbildung als Psychotherapeuten tätig werden. Geschützt ist nur der Begriff „Psychotherapeut“. Stehen am Praxisschild Begriffe wie „Traumabehandlung“, „Paartherapie“ oder „Psychologische Beratung“, dann hat der Inhaber wahrscheinlich nur den „Kleinen Heilpraktiker“ gemacht, also eine einfache Überprüfung durch das Gesundheitsamt absolviert.

WELCHE VERFAHREN SIND ANERKANNT?

Die gesetzlichen Kassen dürfen nur für drei Verfahren die Kosten übernehmen: Verhaltenstherapie, analytische Psychotherapie und tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie. Möglicherweise kommen in den nächsten Jahren weitere Verfahren hinzu. „ Da ist etwas in Bewegung“, sagt Dieter Best. Auch die Systemische und die Gesprächspsychotherapie würden inzwischen wissenschaftliche Anerkennung genießen. Neben der allgemeinen Psychotherapie werden wahrscheinlich auch spezifische, auf bestimmte Störungen zugeschnittene Therapien an Bedeutung gewinnen.

WER IST FÜR PROBLEME MIT THERAPEUTEN ZUSTÄNDIG?

Die Ärztekammern und die Psychotherapeutenkammern des jeweiligen Bundeslandes fungieren als Dienst- und Berufsaufsicht. Sie unterstützen bei Bedarf auch die Suche nach einem approbierten Therapeuten. Und sie sind für Beschwerden der Patienten zuständig. In den meisten Fällen rufen Patienten wegen banaler Probleme an, berichtet der Psychoanalytiker Michael Krenz, Präsident der Psychotherapeutenkammer Berlin. Es geht um ein Ausfallhonorar oder mangelnde Absprachen. „Ein Fall, in dem Drogen und Medikamente im Spiel gewesen wären, ist uns noch nicht vorgekommen.“

Ein ganz heikler Beschwerde-Klassiker sind dagegen sexuelle Annäherungen – nicht zuletzt deshalb, weil die Patienten oft aufgrund ihrer psychischen Störungen besonders anfällig sind für Menschen, bei denen sie sich „anlehnen“ können. Die Verlockung, sich als idealisierte Figur anzubieten und die Rolle des Gurus zu übernehmen, kann für einen Psychotherapeuten dann im Einzelfall durchaus vorhanden sein – auch wenn Autonomie das Therapieziel sein sollte.

WO FINDE ICH EINEN SERIÖSEN PSYCHOTHERAPEUTEN?

Die Psychotherapeutenkammer informiert, wer in Wohnortnähe praktiziert, spricht aber keine individuellen Empfehlungen aus. Das kann meist der Hausarzt oder ein niedergelassener Psychiater tun, da sie in der Regel mit mehreren approbierten Psychotherapeuten zusammenarbeiten. Manchmal haben auch Freunde oder Bekannte Rat. Hat man einen Therapeuten gefunden, sind bis zu fünf Probesitzungen durchaus üblich. „Sie sind ein guter Filter. Wenn man das Gefühl hat, etwas übergestülpt zu bekommen, ist man wahrscheinlich nicht am richtigen Ort“, so Dieter Best. Ein weiteres Problem sind Engpässe bei den Therapieplätzen – in Berlin vor allem im Ostteil. Michael Krenz hat die Devise, möglichst einen ersten Gesprächstermin anzubieten. Selbst wenn nicht sofort ein Platz frei ist, kann in akuten Fällen nach einer anderen Lösung gesucht werden.

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Adelheid Müller-Lissner

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