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Gesundheit: Rate mal, wann der Regen fällt

Noch lässt sich die Menge des Niederschlags nicht vorhersagen. Gegen Hochwasser hilft nur Vorbeugung

Der große Regen kam nicht unerwartet, doch mit so verheerenden Folgen wie jetzt in den Alpen hatte man nicht gerechnet. Dass die engen und vielerorts arg zugebauten Täler mit den Regenmengen irgendwann nicht mehr zurechtkommen würden, war absehbar – das Ausmaß der Überschwemmungen ist trotz ausgefeilter Technik und einem gewaltigen Aufwand an Mathematik immer noch nur schwer abschätzbar.

Das Wetter wird von vielen Faktoren beeinflusst. Bei der Vorhersage ist nicht Gewissheit, sondern nur Wahrscheinlichkeit möglich. „Die Temperatur vorherzusagen, ist noch vergleichsweise einfach“, sagt Detlev Majewski, Meteorologe vom Deutschen Wetterdienst (DWD). Wobei es meist leichter ist, nächtliche Tiefsttemperaturen vorherzusagen als Höchstwerte am Tag. Nachts gibt es weniger oder dünnere Wolken und der Sonnenschein fehlt.

Relativ einfach sind Stärke und Richtung des Windes vorherzusagen. Die Güte der Prognose hängt jedoch von der gewünschten Genauigkeit in puncto Windgeschwindigkeit ab. Betreiber von Windkraftwerken beispielsweise haben höhere Anforderungen an die Genauigkeit als Väter, die mit ihren Kindern Drachen steigen lassen wollen.

Am schwierigsten sind Niederschläge zu fassen. „Hier gab es über die Jahre auch den geringsten Fortschritt“, bedauert Majewski. Am ehesten – mit etwa 80-prozentiger Wahrscheinlichkeit – sei noch die Aussage möglich, ob überhaupt Niederschlag fallen werde. Kompliziert ist die Angabe der Menge: Werden es zehn Millimeter Regen oder nur fünf? Und vor allem: Wo genau fällt er – und wann? „Das ist mit einem Computer-Rechenmodell noch nicht genau genug zu erfassen“, sagt der Meteorologe.

Vor allem dann nicht, wenn die lückenhaft anfallenden Bodenmesswerte zwischen den Messstationen gemittelt werden. Dieses Verfahren liefere vor allem bei sommerlichen Starkregen und Gewitterschauern „keine auch nur annähernd realitätsnahen Werte“, sagt Otmar Seuffert, Professor für Physische Geografie in Darmstadt. Meist würden Niederschlagswerte damit stark unterschätzt. Trefflicher gelingt die Kombination mit Regenradar-Daten. Bundesweit fahnden 16 Wetterradar-Stationen des DWD flächendeckend nach Radar-Echos, die von Regentropfen, Hagelkörnern oder Schneeflocken zurückgeworfen werden.

Wegen der mageren Fortschritte bei der Regenvorhersage in den vergangenen Jahren hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft im April 2004 das auf sechs Jahre angelegte Schwerpunktprogramm „Quantitative Niederschlagsvorhersage“ ins Leben gerufen, an dem sich rund zwanzig Projektpartner beteiligen, darunter der DWD, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt und das Max-Planck-Institut für Meteorologie.

„Für eine Hochwasser-Prognose ist es ein Riesenunterschied, ob morgen 20 Millimeter (das sind 20 Liter je Quadratmeter) fallen oder 40 oder 100“, erklärt Majewski. Heikel ist auch die Prognose des Tiefdruckgebiets, das Niederschläge bringt: „Wenn die Zugbahn nur um 50 Kilometer anders verläuft als berechnet, fällt der Regen in einem anderen Flusseinzugsgebiet.“ Entwickelt sich das Tief intensiver, fällt mehr Regen. Zieht es schneller als erwartet vorbei, gibt es nur eine schwächere Dusche von oben.

Nicht einmal, warum Niederschläge so unberechenbar sind, wissen die Fachleute genau. Eines ist aber ganz sicher: „Selbst kleinste Änderungen an unserem Modellkonzept oder an den Anfangsbedingungen führen zu riesigen Unterschieden in der vorhergesagten Niederschlagsmenge“, erklärt Majeweski. Der Niederschlag stehe eben „am Ende einer langen Prozesskette“.

Erst müssen die Forscher im Vorhersage-Modell Luft aufsteigen lassen, die sich dann abkühlt, wodurch der in ihr enthaltene Wasserdampf zu Wolken kondensiert, die schließlich ausregnen. „Man muss wissen, wo die anfangs aufsteigende Luft her kommt, wie stark sie angehoben wird und welche Anfangsfeuchte sie hat“, sagt Majewski. Fehler in diesen Annahmen können sich akkumulieren.

Winde und Luftfeuchte, Luftdruck und Temperatur, Wolkentypen und Schwebstoffe – all das beeinflusst das Auftreten oder Ausbleiben von Regen, Hagel. Nebel oder Schnee. „Das alles muss man in Modellrechnungen richtig kombinieren, damit am Ende der richtige Niederschlag am richtigen Ort und zur richtigen Zeit prognostiziert werden kann“, erklärtAndreas Hense, Professor am Meteorologischen Institut der Universität Bonn.

Allerdings gebe es „gute theoretische Gründe“ für die Annahme, dass auch künftige Niederschlagsvorhersagen allenfalls Wahrscheinlichkeiten angeben können. „Das Wettersystem würfelt nämlich“, sagt der Bonner Forscher – zwar streng nach Naturgesetzen, aber letztlich doch chaotisch. Dagegen helfen auch immer enger geknüpfte Prognose-Modelle nicht entscheidend weiter.

Umso wichtiger ist Vorbeugung. Keine Baugebiete und andere Erschließungen mehr in den ohnehin rar gewordenen naturnahen Auen, Grünland statt Äcker in Flussnähe. Und wo sonst nichts mehr hilft, braucht man neue Polder, die Niederschlagsspitzen abfangen und erst dann allmählich an die Flüsse abgeben, wenn das Schlimmste vorüber ist.

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