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Gesundheit: Rechenhilfe für Einstein

Mit dem privaten Computer kann jedermann bei der Suche nach Gravitationswellen helfen

Vermutlich hätte Einstein die Idee sehr gemocht. Weltweit tun sich Menschen zusammen, stellen ihre Computer zur Verfügung und suchen gemeinsam nach Gravitationswellen. Diese Wellen rasen mit Lichtgeschwindigkeit durchs All, prophezeite Albert Einstein in der Allgemeinen Relativitätstheorie. Aber sie nachzuweisen, ist ziemlich knifflig.

„Die Auswirkungen von Gravitationswellen auf der Erde sind minimal“, erklärt Benno Willke, Physiker an der Universität Hannover. Immer dann, wenn sich große Massen beschleunigt bewegen – zum Beispiel im Falle von Sternexplosionen – breiten sie sich in der Raumzeit aus, ähnlich wie bei einem Stein, den man in einen Teich wirft. Wo die Wellen vorbeikommen, verkürzen und verlängern sie die Raumzeit für Sekundenbruchteile um eine Winzigkeit. „Eine Messstrecke von vier Kilometern Länge wird so um weniger als das Hunderttausendstel des Durchmessers eines Wasserstoffatoms gestaucht oder gestreckt“, erläutert der Physiker Bruce Allen von der Universität von Milwaukee.

„1996 hatten wir erstmals den Gedanken, Messwerte aus großen Gravitationswellenexperimenten per Internet auf Privatcomputer zu verteilen, um sie dort analysieren zu lassen“, sagt Allen, der Koordinator des Projekts einstein@home. „Wir wussten allerdings nicht, wie wir die Leute dazu bekommen sollen, mitzumachen.“ Das änderte sich drei Jahre später. Mit großem Medienecho und der gleichen Idee machte sich damals seti@ home auf die Suche nach außerirdischer Intelligenz. Tausende haben seither ihre privaten Computer zur Verfügung gestellt, um in den auf der Erde empfangenen Radiowellen Lebenszeichen fremder Zivilisationen aufzuspüren.

An diesen Erfolg soll einstein@home anknüpfen. Der Pressestelle der American Physical Society gefiel die Idee ausgezeichnet. Sie animierte Physiker zum Einstein-Jahr dazu, das Projekt aus den Schubladen zu holen.

Zunächst fehlte den Physikern noch die Zahlenbasis. Gravitationswellen-Experimente befanden sich lange Zeit im Aufbau. Die drei Einheiten des „Ligo“-Experiments liefern dem California Institute of Technology allerdings seit 2001 erste Messdaten. „Geo 600“, das Gravitationswellen-Experiment der Uni Hannover und des Albert-Einstein-Instituts in Potsdam, nahm 2002 die Arbeit auf.

Nun bemühen sich die Forscher darum, den winzigen Einfluss der Gravitationswellen zu messen. Es ist unmöglich, die vorhergesagte Längenänderung mit einem gewöhnlichen Metall-Metermaß zu bestimmen. Ganz abgesehen davon, dass jeder Vergleichsmaßstab ebenfalls gestaucht oder gestreckt würde. Schon eine Temperaturänderung von einem Billionstel Grad würde den Stahl so sehr stauchen oder strecken, dass eine Längenänderung durch eine Gravitationswelle verdeckt würde. Die Physiker wählen daher ein anderes Metermaß: Laserlicht.

„Wir teilen einen Laserstrahl in zwei Strahlen auf, die senkrecht aufeinander stehen. Diese schicken wir jeweils zu Spiegeln, die sie wieder zurückwerfen. Einfallende Gravitationswellen verkürzen die beiden Strecken unterschiedlich. Diese Unterschiede messen wir“, beschreibt Willke das Gravitationswellenexperiment in Hannover. Abgesehen von technischen Tricks liegt der wesentliche Unterschied zwischen „Ligo“ und „Geo 600“ in der Länge der Lichtwege: In Kalifornien beträgt sie bis zu vier Kilometer, bei Hannover nur 600 Meter. Die Grundidee ist dieselbe: Sobald sich die beiden Lichtstrahlen wieder am Ausgangspunkt treffen, verstärken sie sich oder löschen sich aus, abhängig von den Weglängen zwischen Ausgangspunkt und Spiegeln.

Dafür ist eine ruhige Hand nötig - genauer: ruhige Spiegel an den Enden der Lichtwege und wenig Rauschen in den elektronischen Messverstärkern. „Bei Gravitationswellen über 800 Hertz stört uns das Rauschen der Photonen im Laserlicht, darunter ist es das Rauschen der Elektronik. Und im Bereich von 50 bis 100 Hertz messen wir sogar den Zugfahrplan und Erdbeben, die irgendwo auf der Erde passieren", sagt Willke.

Mit flüssigem Helium wird das Experiment daher ruhig gestellt. „Trotzdem ist klar: Der Output aus den Instrumenten besteht vor allem aus Rauschen“, erzählt Allen. Irgendwo in diesem Rauschen könnten sich die Gravitationswellen verstecken.

„Mit einstein@home wollen wir zunächst 30 Gigabyte der Daten aus einem der Ligo-Instrumente analysieren – das sind 600 Mess-Stunden in dem Frequenzbereich, der uns interessiert. Allein deren grobe Auswertung wird rund 18 Millionen Stunden dauern“, sagt Allen. „Im Laufe des kommenden Jahres sollen auch Daten aus Geo 600 und dem anderen Ligo-Instrument dazukommen.“ Diese Werte sollen auf Tausenden Rechnern parallel bearbeitet werden, mit Hilfe einer Software namens „Boinc“. Die wurde speziell für das verteilte Rechnen an der Universität Berkeley entwickelt. Mit ihr werden auch andere Daten analysiert: Messwerte aus Teilchenbeschleunigern, Klima-Messwerte, Proteinanalysen und Daten der Seti-Forscher.

Für einstein@home werden die Messwerte in schmale Frequenzbänder zerlegt, von denen jeder Teilnehmer einen schmalen Ausschnitt zum Filtern erhält. „Falls die Kurven die vermutete Form haben, dann müssen sie dabei auffallen“, spekuliert Allen.

„Bei den Daten, die wir derzeit messen, muss man sich immer vor Augen halten: Wir kennen sie selbst noch nicht, eben, weil wir sie alleine nicht analysieren können“, sagt der Physiker. Dadurch gab es schon beim ersten Start von einstein@home Probleme: Unerwartete Ausreißer in den Messwerten hatten Nachbesserungen bei der Analyse-Software nötig gemacht. Man wird sehen, welche Überraschungen auf den Festplatten der Physiker schlummern.

Mehr im Internet unter:

http://einstein.phys.uwm.edu

Andreas Loos

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