zum Hauptinhalt

Gesundheit: Rechtschreibexperten fassen heißes Eisen an Offenbar soll jetzt auch noch über die

Groß- und Kleinschreibung neu verhandelt werden

Der Rat für deutsche Rechtschreibung wird sich möglicherweise ab Herbst auch mit der Groß- und Kleinschreibung befassen. Der Vorsitzende Hans Zehetmair rechnet damit, dass ein Mitglied des Rats bei der nächsten Sitzung am 28. Oktober beantragen werde, eine zusätzliche Arbeitsgruppe dazu einzusetzen. Neuregelungen in diesem Bereich sollten dann „allerspätestens bis 2006 stehen“, sagte der ehemalige bayerische Kultusminister gestern dem Tagesspiegel. Damit könnten sie ebenso wie Änderungen in der Getrennt- und Zusammenschreibung, der Interpunktion und der Worttrennung zum Beginn des Schuljahres 2006/2007 wirksam werden.

Die Groß- und Kleinschreibung gehört allerdings zu den Bereichen der Reform, die von der Kultusministerkonferenz als „unstrittig“ gesehen werden und für die ab 1. August in den Schulen die Übergangsfrist bei der Fehlerkorrektur endet. „Die Groß- und Kleinschreibung ist mit unserem Beschluss vom 23. Juni, die unstrittigen Teile der Reform jetzt verbindlich einzuführen, von Änderungen vorerst ausgeschlossen“, sagte die KMK-Präsidentin und brandenburgische Kultusministerin Johanna Wanka (CDU). Damit sind Reformschreibweisen wie im Allgemeinen, des Öfteren oder auch das kleine du in der Briefanrede festgeschrieben. Der Kompromiss, dass sich der Rat in diesem Jahr mit nur drei Bereichen befasst, sollte jetzt im Interesse der Schüler und der Öffentlichkeit nicht wieder zur Debatte gestellt werden, sagte Wanka. Der Rat werde ab 2006 die Entwicklung der deutschen Sprache beobachten und im Laufe der Zeit gegebenenfalls Anpassungen auch bei der Groß- und Kleinschreibung vornehmen – wie es früher die Duden-Redaktion getan hat.

Hans Zehetmair betont dagegen, es sei „dem Rat unbenommen, seinem Auftrag, die deutsche Sprache zu beobachten, jederzeit nachzukommen und alle Kapitel durchzunehmen“. Schon jetzt zeichne sich ab, dass die Du-Anrede in Briefen weiterhin häufig verwendet werde. Der Ratsvorsitzende plädiert dafür, diese Schreibweise ebenso zu liberalisieren wie die Schreibung von substantivisch gebrauchten Adjektiven oder Partizipien wie im Übrigen. Zehetmair will es den Schreibern überlassen, hier wahlweise groß oder klein zu schreiben.

Zumindest die du-Schreibung in Briefen freizugeben, würde auch Fritz Tangermann, Berliner Mitglied des Rats und Vorsitzender des Fachverbandes Deutsch im Germanistenverband, für richtig halten. Er warnt jedoch davor, das „heiße Eisen“ Groß- und Kleinschreibung schon in diesem Herbst anzufassen. Das 38-köpfige Expertengremium würde mit einem weiteren Thema seine Arbeit an der Getrennt- und Zusammenschreibung, der Interpunktion und der Worttrennung nicht wie geplant bis Jahresende schaffen, sagte Tangermann auf Anfrage. Die Groß- und Kleinschreibung sei zwar in den Diskussionen der Ratsmitglieder und in reformfeindlichen Medien „sehr virulent“, sollte aber wie geplant als Langzeitaufgabe behandelt werden.

Für ein prominentes Mitglied des Rats, den Erlanger Sprachwissenschaftler Theodor Ickler, gehören Schreibweisen wie das Folgende, jeder Einzelne oder auch jenseits von gut und böse jedoch zu dem „Desaster, das nun allen Bundesländern außer Bayern und NRW bevorsteht“. Ickler hat eine Liste mit für ihn inakzeptablen Neuerungen zusammengestellt, die jetzt in 14 Bundesländern amtlich werden. Ganz oben auf der Liste, die Ickler gerne noch im Rat abgearbeitet hätte: Beispiele aus der Groß- und Kleinschreibung.

Als der Rat im April weitgehende Änderungen im Bereich der Getrennt- und Zusammenschreibung diskutierte, freute sich Ickler: Die vorgeschlagenen Änderungen stellten „im Großen und Ganzen den Zustand, der vor der so genannten Rechtschreibreform herrschte, wieder her“. Ein Eingriff in die Groß- und Kleinschreibung könnte erklärten Reformgegnern wie Ickler weiter entgegenkommen.

Das wäre auch im Sinne des niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff (CDU). In der „Bild“-Zeitung erklärte er, sich weiter „für die klassische Schreibweise einsetzen“ zu wollen, auch wenn die Reform jetzt in Niedersachsens Schulen teilweise in Kraft trete. Wulff will die KMK dazu bewegen, die Neuregelung der Orthografie in Zukunft ganz dem Rat für deutsche Rechtschreibung zu überlassen. KMK-Präsidentin Wanka ist dafür offen – aber nicht sofort: Man könne diese Möglichkeit prüfen lassen, „wenn wir die Reform zum 1. August 2006 zu einem glücklichen Abschluss gebracht haben.“

In NRW beschloss das Kabinett gestern erwartungsgemäß, die Übergangsfrist für die Fehlerwertung im Bereich der neuen Rechtschreibung zu verlängern – „bis auf weiteres“. Das Land will warten, bis der Rat alle Änderungsvorschläge vorgelegt hat.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false