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Gesundheit: Rhythmuswechsel

Erst bekam sein Herz Elektroschocks, nun hat Stefan K. eine Kreislaufpumpe – und wartet auf ein Spenderorgan

LEBEN MIT EINEM KÜNSTLICHEN HERZEN

Im Trainingsanzug und mit Badeschlappen an den nackten Füßen sitzt Stefan K. auf der Bettkante. Er harrt der Dinge, die da kommen sollen. Stefan K. ist groß, dunkelhaarig, 42 Jahre alt und Rentner. „Ich habe noch Glück gehabt“, sagt er. Man stelle sich mal vor, er würde nicht in Berlin leben, sondern irgendwo im afrikanischen Busch. Dort hätte er mit seiner Krankheit keine Chance gehabt. Das sei klar.

Sein Leben verdankt er einer kleinen Maschine: In der Brust von Stefan K. pumpt ein künstliches Herz. Weil das eigene Herz keine Kraft mehr hatte, treibt seit über drei Monaten ein kleines Kunstherz namens „Incor“ das Blut durch seine Adern. Die Operation war kurz vor Weihnachten im Deutschen Herzzentrum Berlin, im Februar konnte er schon wieder zu Hause in Schöneweide einkaufen gehen.

Jetzt ist er wieder Patient hier am Herzzentrum in Wedding – wegen Magenbluten. Das kann passieren, wenn man so viele Mittel schlucken muss, die eine Blutgerinnung verhindern sollen. Nun steckt eine Kanüle in seinem rechten Handrücken. Sie versorgt ihn mit Medikamenten, damit sein Blut keine Klümpchen bildet.

Vor fünf Jahren war seine Welt noch in Ordnung. „Ach, bis dahin hab ich gar nichts gemerkt“, sagt Stefan K. und wischt kurz mit der Hand durch die Luft, als wolle er einen bösen Traum verscheuchen. Doch damals begann diese Luftnot, wenn er sich hinlegte. Auf dem Röntgenbild sah sein Arzt schließlich, dass er keine harmlose Bronchitis hatte, sondern ein viel zu großes Herz, das nur noch schlecht pumpte.

Als Auslöser der starken Herzmuskelschwäche identifizierten Ärzte später Viren, die sonst Ringelröteln verursachen, eine harmlose Kinderkrankheit. Normalerweise besiegt das Immunsystem diese Viren bald. Doch aus unerfindlichen Gründen haben sie sich im Herzen von Stefan K. festgesetzt. Während der letzten Jahre wurde sein Herz immer schwächer. Fliesen verkaufen im Außendienst, davon musste sich der Mann aus Schöneweide verabschieden. Vor drei Jahren baute man ihm einen Defibrillator in die Brust, um ihm kurze Elektroschocks zu verpassen, wenn das Herz zu sehr aus dem Takt geriet.

Auf Dauer kam jedoch nur eine Transplantation in Frage. Im November letzten Jahres war endlich ein Spenderherz gefunden. Man hatte Stefan K. schon in den Operationssaal gefahren, da kam die ernüchternde Nachricht: Das neue Herz sei nicht geeignet. Einen Monat später ging es ihm so schlecht, dass er keine andere Chance mehr hatte: Nur ein Kunstherz konnte sein Leben noch retten. Welche Gedanken man sich macht, wenn ein künstliches Herz implantiert werden soll, weiß Stefan K. nicht: Die Tage vor und nach der Operation hat er im Dämmerzustand verbracht. Für das Kunstherz „Incor“ haben sich die Ärzte entscheiden. Er selber hatte keine Wahl.

Den schwarzen Bauchgurt mit der Steuereinheit und den zwei Akkus hat Stefan K. neben sich auf das Bett gelegt. Etwa fünf Kilogramm wiegt die Ausrüstung. Die Akkus halten insgesamt zehn Stunden, doch meist schließt er sie nach acht Stunden wieder an die Steckdose an, sicher ist sicher.

Vom Bauchgurt kommt ein weißes Kabel und verschwindet unter seinem T-Shirt. Sonst sieht man nichts. Die Stelle, an der das Kabel in die Bauchdecke eintritt, ist sorgfältig abgeklebt, damit keine Keime in den Körper gelangen – eine potenzielle Schwachstelle von „Incor“. Künftige Modelle sollen ohne Kabel, nur per Induktion über die Haut, funktionieren.

Seit „Incor“ den Kreislauf übernommen hat, besitzt Stephan K. keinen Puls mehr. „Stört mich nicht weiter“, sagt er. Nicht normal duschen zu können, das sei viel schlimmer. Natürlich ist er dankbar für die technischen Errungenschaften der Medizin, schließlich hat das Kunstherz ihm das Leben gerettet. Trotzdem wünscht sich Stefan K. wieder ein echtes Herz, von einem Spender. Damit er noch mal was tun kann in seinem Leben, außer auf der Bettkante zu sitzen und ruhig zu sein.

Susanne Lummer

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