zum Hauptinhalt

Gesundheit: Römer in Deutschland: Der Sieg, der eine Niederlage war

Dresden feiert nun schon sein 2000jähriges Bestehen. Die Reste des römischen Grenzwalls, des Limes, sind an der Elbe zu bewundern.

Dresden feiert nun schon sein 2000jähriges Bestehen. Die Reste des römischen Grenzwalls, des Limes, sind an der Elbe zu bewundern. Es macht den Deutschen keine Schwierigkeiten, sich mit Franzosen, Italienern oder Spaniern zu verständigen, schließlich sind es ja alles romanische Sprachen - Halt, da stimmt doch was nicht! Und dass das nicht stimmt, liegt an den Germanen, die im Jahre 9 nach Christus die "frechgewordenen" Römer für immer aus den rechtsrheinischen Landen vertrieben.

Was hätte Germanien nicht alles haben können: ein ausgebautes Straßennetz, Wasserleitungen, blühende Städte, öffentliche Badehäuser und kuschelige Fußbodenheizungen. Andererseits hätte es auch mit Steuerabgaben, Sklavenarbeit und blutigen Gladiatorenkämpfen leben müssen. Ein Fürst des germanischen Stammes der Cherusker namens Arminius - aus dem in der deutschtümelnden Geschichtsverklärung des 19. Jahrhundert ein Hermann wurde - hat beides verhindert. Deutsche Historiker werden nicht müde, Arminius als den großen Befreier der Germanen zu feiern. Im Verein mit anderen germanischen Stämmen gelang es dem Cherusker, die Römer in der Schlacht im Teutoburger Wald so vernichtend zu schlagen, dass sie nie wieder versuchten, Germanien auch rechts des Rheins bis hin zur Elbe in ihr Reich zu integrieren. "Die Germanen haben ihre Territorien damit für eine lange Zeit frei von Fremdherrschaft halten können", sagt auch Thomas Schmidts, Archäologe und einer der Organisatoren der Ausstellung "Römer zwischen Alpen und Nordmeer", die derzeit im bayerischen Rosenheim gezeigt wird.

Inzwischen haben Archäologen auch den jahrhundertelang umstrittenen Ort der Schlacht identifiziert: in der Nähe des heutigen Ortes Kalkriese bei Osnabrück. Und obwohl die Militärmaschinerie der Römer auch nach dem Verlust von schätzungsweise 15 bis 20 000 Mann weiterhin funktionsfähig blieb, begnügten sich die Römer mit den linksrheinischen Gebieten. "Das war vor allem ein psychologisches Problem", sagt Schmidts. Die bisher für nahezu unbesiegbar gehaltenen Legionen hatten sich eine blutige Nase in den Germanischen Wäldern geholt. Und auch wenn in den folgenden Jahren einige Rachefeldzüge unter dem Feldherrn Germanicus ins germanischen Gebiet führten, "auf dem die Römer furchtbar wüteten", gab es keine Entscheidung. Kaiser Tiberius beendete 16 nach Christus endgültig den Krieg - die Kämpfe wurden der römischen Staatskasse einfach zu teuer.

Doch wovon hatte Arminius die Germanen befreit? Hatte er ihnen mit seinem Sieg nicht sogar eine historische Chance verbaut? Die Germanen haben zwar gewonnen, doch verloren sie so die Segnungen der Zivilisierung durch die Römer. Strabo, der römische Geograf und Schriftsteller, konnte es angesichts der zum Teil unglaublich primitiven Lebensweise der Germanen nicht begreifen, wieso sich die Menschen so gegen die römische Herrschaft wehrten. Denn so schwer lastete die Herrschaft der Römer nicht auf den Unterworfenen. Sie waren bereit, die Angehörigen der unterlegenen Völker in die Gesellschaft zu integrieren und ihnen auch Aufstiegschancen einzuräumen.

In Germanien gab es nichts zu holen

Doch wer lässt sich schon gern erobern? Aber der Hauptgrund für ihren Widerstand war wohl die Politik des Staathalters Varus, vermutet Thomas Schmidts. "Obwohl er die Provinz Germanien erst hatte aufbauen sollen, erhob er schon so hohe Steuern, als sei sie ein fester Bestandteil des Reiches."

Mittlerweile wird jedoch unter Historikern diskutiert, ob Rom tatsächlich plante, Germanien bis zur Elbe zu unterwerfen. Es gab dort nichts Wertvolles zu holen. "Die Einkünfte, die Germanien der römischen Staatskasse zu bieten hatte, waren nicht groß", meint der britische Archäologieprofessor Malcolm Todd in seinem gerade in deutscher Übersetzung erschienenen Buch "Die Germanen". "Die Hauptressourcen lagen im Menschenpotenzial und dieses wurde zum größten Teil gegen Rom eingesetzt." Die Gebiete reichten allenfalls, um die am Rhein stationierten Truppen zu ernähren. Die großen Kastelle bewirtschafteten rechts des Rheins Acker- und Weideflächen. Die Demarkationslinie war also keinesfalls so starr, wie moderne Staatsgrenzen.

Die Germanen waren sehr am Austausch mit Rom interessiert, wussten sie die zivilisatorischen Segnungen durchaus zu schätzen. Immer wieder stoßen heutige Archäologen auf Reste von Luxusgütern, mit denen die germanische Oberschicht die bewunderte römische Lebensweise nachzuahmen versuchte. "Vor allem italisches Bronze- und Silbergeschirr beweist den Einzug römischer Trinksitten in die germanische Welt", sagt der Archäologe Schmidts.

Wie verführerisch die im Vergleich zu den Germanen üppige Lebensweise der römischen Untertanen auf den linksrheinischen Gebieten war, zeigt die Völkerwanderung. Ab dem 3. Jahrhundert fielen die Germanen massenhaft in die Gebiete des Imperiums ein. Dessen Widerstand wurde immer schwächer, obwohl man sich hinter dem Limes verschanzt hatte - den man 260 letztlich aufgeben musste. "Es waren vor allem innere Schwierigkeiten, die das Reich schwächten", sagt Schmidts. Und dass die integrationsbereiten Römer die Germanen Karriere in ihrer Armee machen ließen, verstärkte die Schwäche weiter. "Damit hatten sie den Bock zum Gärtner gemacht." Schon Arminius hatte in den römischen Streitkräften deren Taktik erlernt und sie gegen seine Lehrer eingesetzt. Und der Offizier der germanischen Hilfstruppen Odoaker war es schließlich, der 476 den letzten weströmischen Kaiser stürzte.

Die römische Zivilisation blieb auch Jahrzehnte danach Leitbild für die Germanen. Schmidts: "Bereitwillig akzeptierten sie nach dem Ende des Weströmischen Reiches den oströmischen Kaiser als - allerdings nur nominelles - Oberhaupt." In ihre Einflussgebiete ließen sie sich nicht hineinregieren.

Das zivilisatorische Erbe der Römer wirkt bis heute: das Bürgerliche Recht hat seine Wurzeln im Römischen Recht, die antiken Kunstideale leben weiter bis heute auch das Interesse gerade an der römischen Antike ist seit der Renaissance fast ungebrochen. Selbst das Römische Reich als Staatsidee erwies sich als unglaublich zählebig. Das Reich Karls des Großen bezog sich ebenso auf das Imperium Romanum wie das Deutsche Reich, das bis 1806 als das Heilige Römische Reich Deutscher Nation existierte. Vielleicht sogar bis zum Ende des Zarenreiches 1917, denn die russischen Herrscher führten ihre Tradition auf das Byzantinische Reich zurück. Während sich das oströmische Byzanz nach dem Ende Westroms als zweites Rom verstand, sah sich Moskau als das Dritte, nachdem Konstantinopel 1453 den Türken in die Hände fiel.

Trotzdem gab es natürlich nach dem Ende Roms einen ganz klaren zivilisatorischen Bruch in Europa. Er wird besonders augenfällig in dem Niedergang der städtischen Kultur. Einst blühende Städte auf dem Gebiet Germaniens versanken in der Bedeutungslosigkeit. Und dies bleib bis in die Neuzeit so. "Zum Teil wurde der Standard der römischen Wasserversorgung und -entsorgung in den Städten erst wieder im 19. Jahrhundert erreicht", sagt Schmidts.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false