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Gesundheit: Runde Sache

Das neue Timoféeff-Resovsky-Haus auf dem Campus Buch ist einer der bemerkenswertesten Institutsneubauten in Berlin

Hier untersuchen Wissenschaftler Mäuse mit programmierten Gendefekten – unter anderem für die Aids-Forschung. Sie erforschen den Ionentransport und seinen molekularbiologischen Einfluss auf Muskelkrankheiten oder Osteoporose sowie neue Ansatzmöglichkeiten von Medikamenten. Das sind einige der Aufgaben, die sich die Forscher im Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakologie (FMP) in Berlin-Buch gestellt haben – und die jetzt in ein Haus gezogen sind, das zu den gelungensten Forschungsneubauten Berlins zählt.

Das neue Timoféeff-Resovsky-Haus, das vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin und vom Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie unter dem Dach des Forschungsverbunds Berlin betrieben wird, gehört zur beeindruckenden biomedizinischen Forschungslandschaft, die in den vergangenen Jahren beim Klinikum Buch im äußersten Norden der Stadt gewachsen ist. In einer ganzen Reihe auch architektonisch bemerkenswerter Institutsbauten präsentiert es sich als eines der attraktivsten.

19 Millionen Euro hat der Neubau gekostet. Die Hälfte zahlte die EU, der Rest kam vom Bund und vom Land Berlin. Benannt wurde der Bau nach dem russischen Genetiker Nikolai Timoféeff-Resovsky, der mit Max Delbrück als einer der Begründer der molekularen Genetik gilt und zwischen 1930 und 1945 in Berlin arbeitete. Anders als die rationalistischen Nachbarbauten tritt das Gebäude als dynamische Bauskulptur vor Augen, mit ein- und ausschwingenden Fassaden und einem Bug, der sich an der Mittelachse des Campus ins Blickfeld schiebt und den Haupteingang signalisiert. Denn Gründungsdirektor Detlev Ganten wünschte sich keinen kastenförmigen Bau, sondern „etwas Rundes“. Sägezahnartig stehen die Scheiben der raumhohen Bürofenster zwischen den vorkragenden Geschossdecken und beschleunigen die Wellenbewegung, die das Gebäude zu umfließen scheint. An den Längsseiten treten die gläsernen Büros zurück, die Geschossdecken werden zu Balkonen und der innere Betonkern des Gebäudes, der auch die vier Geschosse überragt, wird sichtbar.

Im Inneren wird man von einer freundlichen Halle empfangen. Holzparkett, gläserne Geländer, eine geschickte Farb- und Materialwahl und unkonventionelle Details entfalten eine positive Wirkung auf das Empfinden. Rechts der Empfangstresen und die geschwungene Reihe der Büros, geradeaus eine schwarze, stählerne Wendeltreppe, die sich elegant in die Höhe schraubt. So ist die dem Prinzip weiche Schale, harter Kern folgende Struktur des Gebäudes für jeden sofort einsichtig, die Orientierung fällt leicht.

Das Innere des Kernbaus leuchtet blutrot aus den Fluröffnungen, denn rot sind die Wände, die Decken, die Türen samt Rahmen, und auch der Kautschukboden ist rot und setzt sich in den Laborräumen so fort. Der Effekt ist verblüffend. Der Besucher wird durch den intensiven Farbraum eingestimmt, er spürt, er tritt in eine andere Welt ein, die Welt der Erforschung der Grundlagen des menschlichen Lebens.

Im Labortrakt stehen beim Ausbau prinzipiell alle Möglichkeiten zwischen Zonen-, Zellen-, Gruppen- und Großraumlabors offen. Ganten gab aus Gründen der internen Kommunikation dem Großlabor den Vorzug. Wie selten bei Institutsbauten ist es gelungen, auf die verschiedenen Anforderungen typologisch plausibel zu reagieren. In der geschwungenen Außenschicht an den Schmalseiten die hellen Büros mit ihrer geschosshohen Verglasung, in denen man fast das Gefühl hat, mitten in der Natur zu sitzen, im Kern die hoch installierten und klimatisierten Labors mit ihrer intensiven Atmosphäre. Dazwischen die Zonen der Begegnung, die zur Kommunikation unter den Mitarbeitern animieren.

Wie so oft mussten die Architekten versuchen, solche für die Funktion des Instituts und für das soziale Klima wichtigen Orte, die in den zuwendungsfähigen Raumprogrammen nirgends auftauchen, aus Flächen zu generieren, die als Besprechungsräume, Verkehrsflächen und dergleichen definiert sind. Man kann als Architekt schlicht die geforderten Quadratmeter zu Verfügung stellen. Man kann sich aber auch, wie es der Architekt Volker Staab getan hat, in die Köpfe der Nutzer hineinversetzen und aus dem Programm eine qualitätsvolle, besser funktionierende und darüber hinaus attraktive, angenehme Arbeitswelt entwickeln. Das nennt man dann Baukunst.

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