zum Hauptinhalt

Gesundheit: Schädlings-Bekämpfung: In der Not rettet die Wanze die Pflanze

Wer als Schulkind nicht zu den kleinen Schwarzeneggers gehörte, kennt das Phänomen: Was tun, wenn die Größeren auf dem Pausenhof mal wieder hinter dem Geld fürs Mittagessen her sind? Statt den Bösewicht selbst zu bekämpfen, ist es vielleicht effektiver, einen Helfer herbeizurufen - am besten einen, der noch stärker ist als der Pausenräuber.

Wer als Schulkind nicht zu den kleinen Schwarzeneggers gehörte, kennt das Phänomen: Was tun, wenn die Größeren auf dem Pausenhof mal wieder hinter dem Geld fürs Mittagessen her sind? Statt den Bösewicht selbst zu bekämpfen, ist es vielleicht effektiver, einen Helfer herbeizurufen - am besten einen, der noch stärker ist als der Pausenräuber.

Forscher haben nun entdeckt, dass sich am Rande des Pausenhofs eine ganz ähnliche Szene im Kleinen abspielt: in der Pflanzenwelt. Pflanzen sind ununterbrochen Attacken ausgesetzt. Krankheitserreger befallen sie, weidende Kühe und andere Säuger zertrampeln und fressen sie. Hinzu kommen Parasiten, pflanzenfressende Insekten - die Gefahr ist vielfältig.

Doch wo die Gefahr groß ist, wächst das Rettende auch: Werden Pflanzen von Schädlingen attackiert, setzen sie Substanzen frei, die Feinde der Schädlinge anlocken. Der chemische Hilferuf erreicht zum Beispiel räuberische Insekten, die ihrerseits die Schädlinge fressen und damit die Pflanze vor dem Untergang retten. André Kessler und Ian Baldwin vom Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena konnten nun nachweisen, dass dieser Hilferuf auch in der freien Natur funktioniert. Bisher kannte man den Vorgang nur von Laborversuchen.

Die Forscher studierten die wilde Tabakpflanze in der Great-Basin-Wüste im Südwesten der USA. "Es ist gar nicht so einfach, einen bestimmten Duft aus den zahlreichen Düften in der Luft zu identifizieren", sagt Baldwin. "In der Wüste aber ist die Luft ziemlich geruchsarm." Wie im Labor, so antwortet die Tabakpflanze auch in der Wüste auf die Attacke eines pflanzenfressenden Tomatenschwärmers mit einer chemischen Duftspur, haben die beiden Wissenschaftler festgestellt.

Dann begannen sie ihr Experiment: Die Forscher befestigten Eier des Tomatenschwärmers an einer Tabakpflanze und behandelten die Pflanze mit einer Substanz, welche die Tabakpflanze als Wundsignal bildet und die eine Duftstoffwolke auslöst. Die Duftspur lockte räuberische Wanzen an, die die Eier des Pflanzenfressers verspeisten. Außerdem legte der Tomatenschwärmer an den behandelten Tabakpflanzen weniger Eier ab.

"Die Ergebnisse zeigen, dass die Duftstoffsignale von komplexer Natur sind, dass jedoch einige wenige Komponenten ausreichen, um eine Wirkung zu erzielen", berichten die Forscher nun im Fachblatt "Science" (Band 291, Seite 2141). Bereits einzelne Komponenten der Duftfahne reichten aus, um die Wanze anzulocken. "Die Fähigkeit der Pflanze zur indirekten Abwehr von Fraßfeinden findet in der modernen Landwirtschaft nur wenig Beachtung", meinen sie. "Sie könnte jedoch zur umweltfreundlichen Bekämpfung von Schadinsekten in Zukunft an Bedeutung gewinnen." Viele Nutzpflanzen haben ihre Fähigkeit, mit Wundsignalen Hilfe einzuholen, verloren. "Die könnte man ihnen zurückgeben - durch Züchtung oder Gentechnik", sagt Baldwin.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false