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Gesundheit: Schluss mit knusprig, Herr Koßmehl?

Nein, sagt der Forscher. Nur zu heiß sollte der Braten nicht werden. Ein Einblick in die Chemie des Kochens

Einer der schlimmsten Vorwürfe, den man einem Koch machen kann ist: Das Essen schmeckt nach Chemie! Lassen Sie sich gern von Ihren Kollegen aus der Chemie bekochen?

Meine Frau ist Chemikerin.

Und kocht?

Ja. Ich koche auch gern, aber nicht so viel, dass meine Frau entlastet wäre. Aber zurück zu Ihrer Frage: Wenn ein guter Koch auch die Chemie beherrscht, wenn er erklären kann, was bei der Essensbereitung geschieht und es trotzdem gut schmeckt oder gerade deswegen gut schmeckt, dann finde ich das ganz prächtig. Dann weiß ich als Chemiker wenigstens, was ich da so aufessen muss.

Kochen heißt für den Chemiker, dass in der Hitze Moleküle aufgespalten werden und neue Verbindungen eingehen. Was unterscheidet den Kochtopf vom Reagenzglas?

Im Reagenzglas werden meist Reaktionen angeregt, die so einfach und so übersichtlich sind, dass sie wirklich so ablaufen, wie man es gern möchte.

Was im Kochtopf passiert, versteht der Chemiker nicht?

Er kann es zumindest nicht vollständig verstehen. Wenn Sie zum Beispiel einen schönen Schweinebraten knusprig werden lassen, dann laufen, das sage ich jetzt einfach mal so, 327 Reaktionen gleichzeitig ab. Zum Beispiel Reaktionen zwischen Eiweißstoffen und Kohlehydraten, die ein französischer Mediziner namens Maillard schon zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts entdeckt hat.

Machen sie das Gegrillte und Frittierte so schmackhaft?

J a. Es werden Stoffe gebildet, die der Chemiker zu den Aromaten zählt, zu Abkömmlingen des Benzols. Und diese aromatischen Stoffe geben dem Braten und dem Brot das schöne Aroma und die Farbe.

Und die stecken insbesondere im Fett des Fleisches?

Das Fett ist ein Geschmacksträger. Viele dieser Stoffe sind bei den hohen Temperaturen flüchtig und würden normalerweise verdampfen. Sie werden aber vom Fett gelöst – und deswegen hat das Steak in Argentinien einen guten kräftigen Fettrand. Das Fett hält die Aromastoffe in dem Steak. Die Gauchos in Argentinien essen das Fett nicht mit, aber ich als Chemiker schneide mir natürlich ein Stück von dem Fett ab, um es zu kosten.

Beim sehr starken Anbraten entstehen aber auch Stoffe, die für die Gesundheit gefährlich sind.

Wenn ein Steak verkohlt ist, dann enthält es Stoffe, die Krebs erregend sind und die auch einfach unangenehm schmecken.

Die können auch drin sein, wenn man es dem Fleisch noch nicht ansieht, etwa das umstrittene Acrylamid.

Acrylamid ist ein Stoff, der, seit die Urmenschen über dem Feuer braten, entsteht, und den ich schon vor 100 Semestern kennen gelernt habe. Aber erst im letzten halben Jahr hat man erkannt, dass dieser Stoff gefährlich sein kann. Man weiß inzwischen, dass er in größeren Mengen entsteht, wenn die Temperatur beim Frittieren oder Braten hoch ist.

Ist jetzt also Schluss mit knusprig?

Nein, aber zum Beispiel sollten im Bratofen zu hohe Temperaturen vermieden werden. Beim Frittieren sind es 180 bis 190 Grad, und im Heißluftofen sollte man nicht über 200 Grad erhitzen. Denn sonst kommt es zu einer erheblichen Zunahme des Acrylamids. Man sollte lieber etwas langsamer bei niedrigerer Temperatur garen. Das gibt allerdings auch ein anderes Aroma.

Was zeichnet Aromastoffe vor anderen Stoffen aus? Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Struktur eines Moleküls und dem Geschmack?

Natürlich gibt es Zusammenhänge. Aber auch heute, wo wir mit Computersimulationen Moleküle erfinden können, gibt es noch keine Möglichkeit, genau zu sagen, welche Veränderungen der Molekülbestandteile den Geschmack wie beeinflussen.

Man weiß also nicht, wie sich die Stoffe an unsere Geschmackssensoren anlagern?

Wenn die Struktur nicht sehr stark verändert wird, wird der Geschmack nicht völlig beseitigt. Nehmen wir als Beispiel Vanillin. Das ist eine kristalline Substanz, die in der Vanilleschote mit mehreren 100 anderen Substanzen zusammen vorliegt, aber die Hauptkomponente bildet. Und dieses Vanillin hat man chemisch verändert und immer wieder den Geschmack geprüft. So ist man auf Stoffe gestoßen, die wesentlich intensiver schmecken und duften. Das entscheidende Wort sagt dabei aber nicht der Computer, sondern die Zunge.

Das Kochen hat einen sehr unterschiedlichen Einfluss auf Lebensmittel: Das Ei wird hart, die Kartoffel weich, wenn man sie kocht. Warum?

Beim Ei sind es die physikalischen Veränderungen. Das Eiweiß hat eine sehr komplexe Struktur aus wendeltreppenartig gewundenen Molekülketten. Wird das Eiweiß erwärmt, dann ändert sich diese Form.

Die Wendeltreppen lösen sich auf?

J a. Und dann entstehen Knäuel, die nicht mehr wasserlöslich sind.

Und was ist bei der Kartoffel anders als beim Frühstücksei?

Da geht es um eine biologische Strukturveränderung. Greifen wir nur einmal die Stärkekörner heraus. Sie quellen beim Erhitzen auf, Zellwände, also die harten Strukturen, werden zerstört, die Kartoffel wird weich.

Das Kochen macht Nahrungsmittel damit also oft erst für uns genießbar?

Ja. Beim Kochen bereiten wir die Nahrung auf. Dadurch, dass die Zellstrukturen zerstört werden, können wir die Nahrungsstoffe besser ausnutzen. Manche Nahrungsmittel enthalten auch gefährliche Substanzen. Grüne Bohnen etwa enthalten etwas Blausäure. Sie müssen gekocht werden. Dabei wird die Blausäure zersetzt. Ähnliches gilt auch für die Eiweißstoffe bei Pilzen in abgeschwächter Form, die beim Kochen leichter verdaulich werden. Aber der Knollenblätterpilz ist nach dem Kochen immer noch giftig .

Das Interview führte Thomas de Padova.

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