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Gesundheit: Schmerzen im Brustkorb

Ist es das Herz? Auch Ärzte wissen das nicht immer

Mit mäßigen, aber seit drei Tagen wiederkehrenden Brustschmerzen kam Frau Z. zum Hausarzt. Beim Verdacht auf einen Herzinfarkt hätte die informierte Patientin sofort 112 gewählt: mit der Feuerwehr ab ins Krankenhaus, denn beim Versuch, ein verstopftes Herzkranzgefäß wieder zu öffnen, kommt es auf jede Minute an. Aber die typischen Infarktzeichen – starker, ausstrahlender Schmerz, Angst und kalter Schweiß – fehlten ebenso wie Atemnot oder Übelkeit und Erbrechen, bei Frauen oft die einzigen Symptome.

Mit dieser Schilderung einer häufigen Situation begann Norbert Donner-Banzhoff aus Marburg seinen Vortrag beim diesjährigen Kongress der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin. Der Arzt der ersten Linie muss vor allem jene Patienten herausfiltern, deren Herzkranzgefäße verengt sind. Denn sie laufen Gefahr, einen Infarkt oder eine schwere Herzrhythmusstörung zu bekommen.

Hauptsymptom des akuten Anfalls einer Koronarkrankheit ist nicht unbedingt ein starker Schmerz, sondern ein beängstigendes Gefühl des Drucks und der „Angina pectoris“, was bedeutet: „Enge im Brustkorb“. Von den Brustschmerzpatienten des Hausarztes sind aber weniger als zehn Prozent koronarkrank, sagte Donner-Banzhoff. „Es wäre also ethisch nicht zu rechtfertigen, jeden Patienten mit Schmerzen zwischen Kinn und Nabel gleich zur Koronarangiographie einzuweisen“, also zum Röntgen. Denn erstens sind solche diagnostischen Eingriffe belastend. Außerdem zerstreuen Untersuchungen zum Ausschluss einer organischen Krankheit die Ängste Herzgesunder immer nur für ein paar Monate.

Die Kenntnis der Krankengeschichte und ein ausführliches Gespräch mit dem Patienten führen meist schon zum Ziel. Wie stark und welcher Art ist der Brustschmerz? Seit wann und bei welcher Gelegenheit tritt er auf? Begleiten ihn andere Symptome? Schmerzen hinter dem Brustbein können zum Beispiel von Krämpfen der Speiseröhre verursacht sein, besonders bei Schluckbeschwerden. Solche Krämpfe können einen sogar nachts aus dem Schlaf reißen. Auch eine Rippenfellentzündung, meist nach Bronchitis, kann zu Brustschmerz führen, ist aber am Stechen beim Atmen leicht erkennbar. Häufig entstehen Schmerzen im Brustkorb auch bei einer entzündeten Gallenblase.

Brustschmerz kann zudem eine funktionelle Störung ohne organische Ursache sein. Oft sind solche Schmerzen, die ihren Ort im Körper wechseln können, mit depressiven oder ängstlichen Stimmungen verbunden. Besonders schmerzempfindliche Menschen haben oft mehr Angst um ihr Herz als Koronarkranke. Was sie brauchen, ist ein einfühlsamer und aufmerksamer Arzt, der auf körperliche Störungen achtet, aber den Patienten vor unnötigen und möglicherweise teuren oder gefährlichen Untersuchungen schützt. Ein solcher Arzt ist der amerikanische Kardiologe Bernard Lown geblieben – trotz der 20 Ehrendoktorhüte, die er für die Entwicklung lebensrettender technischer Verfahren wie der Defibrillation bekam. Auch er baut in erster Linie auf das diagnostische Gespräch und die gründliche körperliche Untersuchung, die 95 Prozent der nötigen Information liefern. Er hält das Zuhören für den „wirksamsten, schnellsten und kostengünstigsten Weg, um zum Kern der meisten medizinischen Probleme vorzudringen“, schreibt er in seinem Buch „Die verlorene Kunst des Heilens“ (Schattauer Verlag Stuttgart, 2. Auflage 2004).

Donner-Banzhoff durchforstete mit zwei Doktoranden die wissenschaftliche Literatur über die Brustschmerz-Diagnostik. Unter den – ohnehin seltenen – Studien überwiegen solche über hochtechnisierte Untersuchungen an ausgewählten Patienten der Universitätskliniken. Und meist geht es nur um die Frage „Infarkt – ja oder nein?“ Die forschenden Hausärzte planen jetzt in Marburg eine eigene Studie. Denn sie müssen wissen, wann ein Verdacht auf eine koronare Herzkrankheit begründet ist.

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