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Pudding ist bei Kindern beliebter als Gemüse - eine Herausforderung für die Schulen, schließlich sollen sie gesunde Ernährung vermitteln.

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Schulessen: Besser essen

Eben erst hat eine Noroviren-Epidemie die öffentliche Aufmerksamkeit erneut auf die Schulmahlzeiten gelenkt. Der Anspruch lautet: Gerichte für Schüler müssen gehaltvoll und gesund sein. Aber schmecken sie dann jedem?

Der Raum ist in freundliches Licht getaucht, bunte Bilder hängen an den Wänden, wohnliche Sitzmöbel laden zum Verweilen ein, und das freundliche Personal gibt Auskunft über das appetitanregend präsentierte Angebot an Speisen, die in den Schüsseln dampfen. Wünsche und Anregungen der Tischgäste sind im Menü schon berücksichtigt. Während sie sich angeregt mit Freunden unterhalten, genießen sie die zarte Textur des Fleisches und das knackig-bissfest und nährstoffschonend gegarte Gemüse der Saison. Und das alles in der Schulmensa, mit Schülern als Tischgästen.

Ein weltfremder Traum? Hoffentlich nicht. Denn es ist die Quintessenz dessen, was die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) in ihrer Broschüre zu Qualitätsstandards der Schulverpflegung für das Mittagsmahl in deutschen Ganztagsschulen empfiehlt. „Qualitativ hochwertiges Essen, das auch noch gut schmeckt, ist eine wunderbare Voraussetzung für gute Laune und Zufriedenheit“, so gibt Bundesernährungsministerin Ilse Aigner im Geleitwort zu dieser Schrift die Richtung vor.

Wie es mit dem Schulessen wirklich steht, das begann eine breitere Öffentlichkeit kurzfristig zu interessieren, als der bisher größte Noroviren-Ausbruch Tausenden von Kindern aus Berlin und einigen anderen Bundesländern, die das Kompott aus chinesischen Erdbeeren eines Großcaterers gegessen hatten, vor den Herbstferien einen kurzen, aber heftigen Brechdurchfall bescherte.

Praktisch zeitgleich war eine Studie zu den Kosten des Berliner Schulessens veröffentlicht worden, die die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft zusammen mit der AOK Nordost bei der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg in Auftrag gegeben hatte. Das Ergebnis: Ein Mittagessen, das dem DGE-Standard entspricht, müsste für einen Grundschüler statt der heutigen zwei Euro rund 3,25 Euro kosten, für ältere Schüler wegen der wachsenden Portionen noch etwas mehr.

„Aber wenn wir an der Schraube des Preises drehen, wird das Essen dadurch nicht automatisch besser“, gab Dirk Medrow von der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft kürzlich bei einer Diskussionsrunde zum Thema „Was ist uns gutes (Schul-)Essen wert?“ zu bedenken. Sie war der Auftakt einer Veranstaltungsreihe, die die Stiftung Brandenburger Tor zusammen mit Helmholtz-Gemeinschaft und Charité organisiert, im Rahmen der Wissensplattform „health_y warum gesund?“. Schwierig sei, so gab Medrow zu bedenken, dass das Geschmacksurteil der Heranwachsenden selbst nicht als sicherer Qualitätsindikator gelten könne: Auch wenn der Brokkoli noch so liebevoll und fachgerecht zubereitet wurde, wird mancher Grundschüler ihn mit dem kurzen Kommentar „Schmeckt nicht!“ auf dem Teller liegen lassen. „Das Problem sind oft die Ernährungsgewohnheiten der Kinder“, so der Koordinator des Landesprogramms „gute gesunde Schule“.

Schulen und Kitas müssten es sich deshalb zur Aufgabe machen, den Geschmack der Kinder zu schulen, meinte Spitzenkoch Michael Kempf vom „Facil“ im Mandala-Hotel. Er versucht es, indem er im brandenburgischen Großbeeren als Schirmherr eines Schulgartens fungiert – und konnte vom Stolz der Kinder beim Verkauf ihrer ersten selbst gemachten Gurkensuppe berichten.

Der Kinder- und Jugendgesundheitssurvey KiGGS des Robert-Koch-Instituts zeigt, dass Kinder, nicht anders als die Erwachsenen, zu wenig Obst und Gemüse, zu viel Fleisch, zu viele salzige Knabbereien, zu viele Süßigkeiten und zu viele gesüßte Getränke zu sich nehmen. 15 Prozent der Kinder haben Übergewicht, fast 30 Prozent der Mädchen zwischen elf und 17 Jahren zeigen ein auffälliges Essverhalten. Im gemeinsamen Schulessen sieht Charité-Ernährungsmediziner Joachim Spranger eine Chance für die Heranwachsenden, zu einem normaleren, entspannteren und klügeren Umgang mit dem Essen zu kommen: „Hier erreichen wir eine ganze Generation.“ An sich sei kein Nahrungsmittel gut oder schlecht, doch es komme auf die Mengen an.

"Manchmal ist das Schulessen etwas beschämend."

Dem trägt der Standard der DGE für die Mittagsmahlzeit in der Schule Rechnung: Die Kinder sollten höchstens zweimal in der Woche mittags Fleisch serviert bekommen, einmal ein Fischgericht, ein vegetarisches Gericht muss immer im Angebot sein. Gemüse und Salat sollen dagegen jeden Tag auf dem Speiseplan stehen, Obst und Milchprodukte mindestens zweimal in der Woche. Nur zweimal im Monat sollte es süße Hauptgerichte wie Milchreis oder Pfannkuchen geben. Sieben von 12 Berliner Bezirken haben sich auf diesen DGE-Qualitätsstandard für das vom Senat subventionierte Schulessen als vertragliche Grundlage festgelegt.

Dass das Essen appetitlich auf den Tisch kommt und gut schmeckt, ist damit allerdings keineswegs sichergestellt. Die Tests von 30 Menüs bei unangemeldeten Besuchen, die kürzlich in Kooperation mit dem Oberstufenzentrum Gastgewerbe in verschiedenen Berliner Schulen gemacht wurden, zeigen meist Ergebnisse zwischen akzeptabel und mangelhaft. „Ich esse öfters in Schulmensen, und meist ist es gar nicht so schlecht“, versicherte Medrow: „Manchmal ist es aber auch etwas beschämend.“

Berlin brauche eine Qualitätsdebatte, so hatte kurz zuvor Bildungssenatorin Sandra Scheeres die Kostenstudie zum Schulessen kommentiert. Sie wird, von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, seit einigen Jahren von der Vernetzungsstelle Schulverpflegung Berlin vorangetrieben – einer Initiative, die schon im Jahr 2003 aus der Unzufriedenheit engagierter Elternvertretungen mit dem Schulessen im Bezirk Pankow entstand. „In einem Modellprojekt haben wir damals getestet, ob man es mit einer klugen Umgestaltung des Speiseplans schafft, den Kindern gesundes und gut schmeckendes Essen mit einem Mindestanteil von zehn Prozent Produkten aus ökologischem Anbau anzubieten und dabei den Preis zu halten“, sagt Sabine Schulz-Greve, Gründungsmitglied und Vorstand der Vernetzungsstelle, die seit 2008 im Auftrag der Senatsverwaltung Bildung und im Rahmen des Nationalen Aktionsplans „In Form“ Schulträger, Schulen, Lehrkräfte und Eltern bei der Gestaltung des Verpflegungsangebots in Ganztagsschulen berät.

Neben der Umsetzung des DGE-Standards hilft die Initiative Schulen bei der Bildung von Essenskommissionen, bei der Gestaltung der Räume, der pädagogischen Betreuung der Mahlzeiten und der Kommunikation mit dem Caterer. Sie unterstützt ältere Schüler, die eigene Firmen gründen und den Schulkiosk in Eigenregie übernehmen, um dort gesunde Zwischenmahlzeiten zu verkaufen.

Trotzdem sagt Sabine Schulz-Greve: Das Kochen des Mittagessens sollten die Heranwachsenden nicht übernehmen. „Das gehört in professionelle Hände.“ Sie hofft, dass „uns das Schulessen in Zukunft mehr wert ist.“

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