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Gesundheit: Schutz für das Baby

Hirnhautentzündung: Ärzte empfehlen, Säuglinge und Kleinkinder zu impfen

Auch wenn wir Babys und andere Kinder für besonders schutzbedürftig halten: Wir sind nicht mehr wirklich darauf gefasst, dass ihr Leben durch Viren und Bakterien bedroht ist, seit es gegen Krankheiten wie Diphtherie oder Kinderlähmung Impfstoffe gibt.

Fällt das Stichwort „Meningitis“, dann reagieren Eltern allerdings besorgt. In jedem Jahr sterben nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 130 Menschen an einer von Bakterien verursachten Hirnhautentzündung, darunter viele Jugendliche und auch Kinder unter fünf. „Die tatsächliche Fallzahl liegt zumindest für Kinder wissenschaftlichen Studien zufolge aber höher“, sagt der Infektiologe Heinz-J. Schmitt von der Uni-Kinderklinik in Mainz, Vorsitzender der Ständigen Impfkommission (Stiko) beim Robert-Koch-Institut.

Ein tragischer Tod, der wie aus heiterem Himmel kommt. Bei einer Hirnhautentzündung werden die weichen Häute des Gehirns und des Rückenmarks, die Meningen, von Bakterien befallen. Zudem droht eine Überschwemmung des Bluts mit den Erregern, was zu einer Blutvergiftung mit lebensbedrohlichem Organversagen führt. Manchmal erleidet das Gehirn bleibende Schäden, es kommt zu Lähmungen, Seh- oder Hörstörungen, manchmal sind Amputationen nötig.

Eine der Bakterienfamilien, die Hirnhautentzündungen verursachen, trägt die Krankheit im Namen: Meningokokken . Sie schlummern bei jedem Zehnten friedlich im Nasen-Rachenraum und werden per Tröpfcheninfektion beim Niesen, Anhusten oder Küssen weitergegeben. Das Bakterium namens Neisseria meningitidis führt jedes Jahr in Deutschland zu mindestens 700 solcher schweren Erkrankungen. Jede vierte von ihnen wird durch den besonders aggressiven Serotyp C verursacht. Nach Angaben des Nationalen Referenzzentrums Meningokokken stirbt daran fast jeder zehnte Erkrankte.

Doch es gibt einen Impfschutz. Seit Juli dieses Jahres empfiehlt die Stiko, alle Kinder ab dem vollendeten 12. Lebensmonat gegen diese Meningokokken vom Serotyp C zu impfen. Es genügt eine einzige Dosis des besonders für Kinder geeigneten Impfstoffs, der durch eine Koppelung von bakterientypischen Zuckermolekülen mit bestimmten Proteinen einen umfassenden Immunschutz hervorruft. In Großbritannien, wo der Serotyp C jahrelang ein Problem darstellte, ist die Zahl der jährlichen Todesfälle von 67 im Jahr 1998 auf drei im Jahr 2000 zurückgegangen, nachdem die Impfung dort in großem Maßstab propagiert wurde.

Im Sommer 2006 hat die Stiko auch die Empfehlung ausgesprochen, alle Säuglinge über zwei Monaten gegen Pneumokokken zu impfen. Diese Bakterienfamilie löst meist begrenzte Infekte wie Mittelohr- oder Nasennebenhöhlenentzündungen aus, kann aber auch schwere Lungenentzündungen und Hirnhautentzündungen hervorrufen. 680 der 970 schweren Erkrankungen, die jährlich in Deutschland auftreten, werden durch Varianten hervorgerufen, gegen die die Impfung schützt. Pneumokokken sind zwar „nur“ die Ursache jedes fünften Falls einer meldepflichtigen bakteriellen Meningitis, aber 70 Prozent aller Meningitis-Todesfälle gehen auf ihr Konto. Die beiden Neuempfehlungen vergrößern den Schutz gegen Hirnhautentzündungen also beträchtlich.

Bisher galt die Devise, nur immungeschwächte Kinder und Frühchen gegen Meningo- und Pneumokokken zu impfen. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte empfiehlt nun, auch die etwas älteren Kinder, die von der neuen Stiko-Empfehlung für Säuglinge und Kleinkinder noch nicht profitieren, gegen Meningokokken zu impfen. „Ein zweiter Häufigkeitsgipfel der Erkrankung liegt im Jugendalter“, begründet Stiko-Vorsitzender Schmitt die Empfehlung – hauptsächlich sind 15- bis 19-Jährige betroffen. Gefahr durch die Pneumokokken droht dagegen eher wieder im Alter und weniger für ältere Kinder, weshalb die Impfung nicht für die über Zweijährigen, wohl aber für Senioren empfohlen wird.

Die komplizierten Impfempfehlungen machen es für Eltern nicht leicht, den Überblick zu behalten. Es bleibt eine weitere Gefahrenquelle: Die Meningokokken vom Serotyp B , die hierzulande mindestens 65 Prozent der meningokokkenbedingten Hirnhautentzündungen verursachen. Dagegen gibt es noch keine Impfung. Weil es zu unerwünschten Immunreaktionen gegen körpereigenes Gewebe wie den Herzmuskel kommen kann, ist es besonders schwierig, einen Immunschutz zu kreieren. Schmitt hofft jedoch, dass ein Impfstoff in fünf bis zehn Jahren auf den Markt kommt. „Ich gehe davon aus, dass wir in absehbarer Zeit gegen 95 Prozent der bakteriellen Erreger von Hirnhautentzündungen werden impfen können.“ Bei Novartis-Behring in Marburg rechnet man nicht vor 2010 mit einem universellen Impfstoff gegen Meningokokken vom Serotyp B. Impfstoffherstellern ist es aber vor einigen Jahren gelungen, einen Impfstoff gegen eine Variante des Serotyps B zu entwickeln.

Den Kinderärzten bleibt eine knifflige Aufgabe: Sie müssen den Eltern erklären, warum die Impfung gegen Pneumokokken und Meningokokken so wichtig ist. Andererseits müssen sie aber auch darauf hinweisen, dass die Gefahr einer Hirnhautentzündung damit keineswegs gebannt ist. Denn es bleiben die Infektionen mit Viren, die meist etwas leichtere Meningitis-Fälle verursachen. Es bleiben auch einige Pneumokokken-Typen, die der verfügbare Impfstoff nicht erfasst, und es bleibt der Serotyp B der Meningokokken. Deshalb kann es nötig sein, eine ganze Kita-Gruppe – geimpft oder nicht – vorbeugend mit Antibiotika zu behandeln, wenn bei einem Kind der Verdacht auf eine Meningokokken-Meningitis besteht.

Und es bleibt wichtig, dass Eltern auf Anzeichen einer Meningitis achten: Nicht wegdrückbare kleine blau-rote Flecken auf der Haut, hohes Fieber, Übelkeit und Erbrechen, Lichtempfindlichkeit, vor allem aber die charakteristische Nackensteifigkeit. In manchen Fällen kann dann nur eine schnell einsetzende Behandlung mit Antibiotika, die in der Kinderklinik per Infusion gegeben werden, das Leben retten.

Mehr Informationen im Internet:

www.rki.de

www.meningococcus.de

Adelheid Müller-Lissner

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