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Gesundheit: Schweigen

Von Christoph Markschies, Präsident der Humboldt-Universität

Dass Schweigen im Gegensatz zum Reden Gold ist, weiß der Volksmund; dass es tatsächlich unendlich viel wert sein könnte, ahnt ein Universitätspräsident, wenn er wieder einmal von einem Journalisten um einen Kommentar zu einem aberwitzigen hochschulpolitischen Vorschlag gebeten wurde, aber peinlich darauf bedacht sein muss, eben das Wort „aberwitzig“ zu vermeiden, und sich viel lieber begeistert über gute Wissenschaft äußern würde, beispielsweise das Buch, das er gerade liest. „Der Gedanke / Hängt wirr in der Luft“, dichtet Durs Grünbein, und stünde der Satz nicht in einem Bändchen über Seneca, möchte man ihn für einen Kommentar zum Neuigkeitswert mancher Debatten über die deutsche Universität halten.

Natürlich gilt nicht zu jeder Zeit und überall, dass Reden Silber und Schweigen Gold ist. Vor vielen, vielen Jahren legte mir meine Frau morgens eine selbst gefertigte Zeichnung auf den Frühstückstisch, die ein Aquarium mit allerlei Fischen zeigte. So kommentierte sie fein und dezent, dass der Gatte am Abend zuvor keinerlei Lust gehabt hatte, sich an der Konversation bei einer Einladung zu beteiligen, und den Gästen ein gutes Stück geforderter Höflichkeit schuldig geblieben war: „C.M. zur Abwechslung einmal als Aquarium“, war die Zeichnung aus den Anfangstagen unserer Freundschaft unterschrieben, und ich muss bis auf den heutigen Tag an sie denken, wenn ich an langweiligen Abenden in dumpfes Schweigen versinken will. Und schwinge mich in aller Regel dann wenigstens zu artiger Konversation auf, weil Schweigen hier eher Blech wäre.

In einer Umwelt, in der beständig geredet wird und durchaus nicht immer Kluges, tut immer wieder einmal Schweigen not. Erst forschen, dann reden, könnte man einen klugen Spruch Max Plancks etwas abwandeln, der wie eine sanfte Korrektur der Aufforderung in der Eingangshalle der Humboldt-Universität wirkt, die Welt zu verändern, bevor man sie verstanden hat. Der Autor jener These, ein ehemaliger Student dieser Universität, hätte wahrscheinlich besser geschwiegen, als sie zu äußern. Umgekehrt darf man nicht jeden Unsinn schweigend passieren lassen, manchmal ist es weit mehr als Höflichkeit, zu reden. Vielmehr eine schlichte Pflicht im Interesse der Zivil- und Wissenschaftsgesellschaft.

Der Autor ist Kirchenhistoriker und schreibt jeden zweiten Montag über Werte, Wörter und was uns wichtig sein sollte.

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