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Gesundheit: Schwestern von gestern

Krankenpfleger brauchen eine gute Ausbildung, um wachsende Anforderungen zu bewältigen

Die Frischoperierte schreckt aus dem Mittagsschlaf hoch. Immerhin haben sie angeklopft, die beiden Schwesternschülerinnen, die dann mit einer Leiter hereinpoltern, um die blitzend weißen Lampen zu „putzen“ – Anordnung der Oberschwester. Die wollte die Lernschwestern wohl irgendwie beschäftigen – ohne Rücksicht auf die Kranken. Solche Beispiele für das, was Fachleute „patientenignorierende Pflege“ genannt haben, kennt jeder. Aber das sind Bagatellen, verglichen mit den Zuständen in vielen der personell schlecht augestatteten Heime für Altersgebrechliche, die nicht selten ausgetrocknet, wundgelegen und ruhig gestellt dahinvegetieren.

Jede vierte der ungenügend vorbereiteten und grenzenlos überforderten Altenpflegerinnen scheidet schon im ersten Jahr aus dem Beruf wieder aus. Daran erinnerte Jutta Limbach, Ex-Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts und jetzt Präsidentin des Goethe-Instituts Inter Nationes beim Symposium der Robert Bosch-Stiftung zum Abschluss des zehnjährigen Förderprogramms „Pflege braucht Eliten“.

Kompetent steuern

In den Diskussionen zeigte man sich einig: Pflege muss künftig von den Bedürfnissen der Kranken und Gebrechlichen ausgehen, kompetent geplant, gesteuert und wissenschaftlich begründet sein. Denn die Anforderungen steigen. Chronische Krankheiten und Altersleiden dominieren; Krankenhausaufenthalte werden immer kürzer, also sind in Kliniken mehr Schwerkranke und zu Hause viele erst halb Genesene zu versorgen.

All das verlangt neue Kompetenzen: präventive und rehabilitative, also auch psychologische, pädagogische und soziale. Um die knappen Mittel im Gesundheitswesen konkurriert die Pflege mit allen anderen. Sie muss also künftig den Nutzen ihrer Leistungen wissenschaftlich nachweisen. Das ist erst für zehn Prozent dieser Leistungen geschehen. In der Medizin sollen es immerhin schon 20 Prozent sein.

Vor zehn Jahren hinkte Deutschland dem internationalen Standard noch hoffnungslos hinterher. In Deutschland gab es damals nur zwei Weiterbildungs-Curricula, während etwa in Großbritannien sogar die dreijährige Grundausbildung der Pflegekräfte in den Hochschulen stattfindet und zum Bachelor-Abschluss führt. Heute gibt es in Deutschland fast 50 Pflege-Studiengänge an Fachhochschulen und Universitäten.

Von den mehr als eine Million Pflegenden müssten zehn Prozent eine akademische Weiterbildung für Leitungs- oder Lehrfunktionen haben, konstatierte Christel Bienstein, Leiterin des Instituts für Pflegewissenschaften der Universität Witten Herdecke. Bei gleichbleibender Frequenz wäre das erst in einem halben Jahrhundert zu schaffen. Das dauert selbst denen zu lange, die dafür zahlen müssen. „Qualität und Wirtschaftlichkeit – das geht nur mit Qualifizierten“, sagte Jürgen Gohde, Präsident des Diakonischen Werks, und Rolf Hoberg vom AOK-Bundesverband stimmte zu.

Und immer wieder wurde gefordert, nicht nur die „Eliten“, sondern alle Pflegenden zu befähigen, das eigene Tun kritisch zu reflektieren und die Qualität der Pflege zu sichern. Die Kluft zwischen Wissenschaft und Praxis lasse sich nur einebnen, so hieß es in Stuttgart, wenn auch die Pflege-Grundausbildung modernisiert wird.

Ein Frauenberuf

Die Pflege ist ganz überwiegend ein Frauenberuf. Auch deshalb tut sie sich schwer mit der Gleichberechtigung im Gesundheitswesen. Penny Powers, Pflegeprofessorin an der South Dakota State University, ermunterte ihre deutschen Kolleginnen gemeinsame Ziele zu erreichen, etwa die Reform der Ausbildung, berufliche Selbstverwaltung oder Mitbestimmung in den gesundheitspolitischen Gremien.

Mehr zum Thema im Internet:

www.bosch-stiftung.de

Telefon der Robert Bosch-Stiftung:

0711 / 460 84 33

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