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Schweiß

© dpa

Schwitzen: Ohne Schweiß zu heiß

Bei sommerlichen Außentemperaturen läuft die Klimaanlage des Körpers auf Hochtouren. In der Hitze ist starkes Schwitzen gesund – doch wer ständig zerfließt, könnte krank sein.

Das Shirt sieht aus, als hätte jemand ein Glas Wasser darübergeschüttet. Dabei war das doch nur ein Sprint zum Bus! Die Strafe: die Fahrt wird zur Qual wegen der angewiderten Blicke, und die Arbeit ist an diesem Tag ungemütlich. Weil der Körper das tut, was er bei der Hitze tun muss. Er schwitzt, und zwar ausgiebig.

Aber warum schwitzen wir überhaupt? „Schwitzen ist ein normaler Vorgang und dient dem Wärmeausgleich des Körpers“, sagt Gisela Albrecht. Sie ist Direktorin der Klinik für Dermatologie und Allergologie im Vivantes-Klinikum Spandau. „Ein Leben ohne Schweißdrüsen wäre nicht möglich.“ Sie sind die körpereigene Klimaanlage. Unabhängig von der Außentemperatur hält der Organismus konstant 36 bis 37 Grad Celsius. Mit dem Schweiß gelangt überschüssige Wärme nach außen, gleichzeitig kühlt die Feuchtigkeit die Haut. Ist es warm in der Umgebung oder erzeugen die Muskeln durch Aktivität Wärme, versucht der Körper mit einem Signal an die Haut, eine Überhitzung des Körperkerns zu verhindern.

Wie stark man schwitzt, hängt von der Größe und Zahl der Schweißdrüsen ab – und die ist angeboren. Ein normaler Mensch hat zwischen zwei und drei Millionen Drüsen. Gewöhnliche Wasserdrüsen (ekkrine Drüsen) sitzen überall am Körper und sind lediglich 0,4 Millimeter groß, die Duftdrüsen unter den Achseln und im Genitalbereich (apokrine Drüsen) bringen es auf drei bis fünf Millimeter. Sie werden überwiegend bei emotionalen Reizen aktiviert.

Wer viel Sport treibt oder regelmäßig in die Sauna geht, schwitzt schneller. Bei Profiboxern wurde das wissenschaftlich nachgewiesen. Sportler bilden aber nicht mehr Schweißdrüsen, sondern ihre Drüsen reagieren besser. Einen Unterschied zwischen Frauen und Männern gibt es nicht. Da die meisten Männer aber mehr Hautoberfläche haben, schwitzen sie auch etwas stärker. Einzig mit dem Alter nimmt das Schwitzen ab.

Übermäßige Schweißabsonderung, vor allem im Ruhezustand, kann ein Zeichen für eine Krankheit, aber auch für zu viel Stress sein. Bei Diabetes, Tuberkulose, Herzinfarkt und vielen Krebsarten tritt eine vermehrte Ausschüttung von Schweiß (Hyperhidrose) als Symptom auf. Die häufigste Ursache für Hyperhidrose ist jedoch Übergewicht. Das Fett wirkt zwischen Haut und Muskeln wie eine Isolierschicht. Die Wärme überhitzt das Körperinnere, kann nicht mehr schnell genug nach außen geleitet werden, und das Thermometer im Gehirn schlägt Alarm. Aber auch Angst und Nervosität sind typische Auslöser.

Die Behandlung der Hyperhidrose ist davon abhängig, wie stark sie ausgeprägt ist. Nur knapp ein Prozent der Menschen leidet tatsächlich darunter, in Deutschland sind es rund eine halbe Million. Dermatologen messen die Schweißmenge unter den Achseln mit Filterpapier. Einen konkreten Wert, wann das Schwitzen als krankhaft gilt, gibt es nicht. Wenn sich nach dem Abtrocknen unter den Achseln schnell wieder große Mengen Schweiß bilden, kann das aber ein Zeichen sein. Der Filterpapiertest wird auch von den Krankenkassen anerkannt.

Schweiß riecht erst einmal nicht. „Nur wenn er alt wird auf der Haut, im Zusammenspiel mit Bakterien, entwickelt er den spezifischen Geruch“, sagt Gisela Albrecht. Trotzdem müssen Vielschwitzer nicht unreinlich sein. „Bei Menschen, die stark schwitzen, wird der alte Schweiß ständig runtergespült. Außerdem sind sie oft besonders reinlich.“ Die Beschwerden sind dennoch sehr subjektiv. Der eine empfindet einen zwei Euro großen Fleck als unangenehm, den anderen stört es nicht, dass der ganze Körper trieft.

Bei der Behandlung hat man mittlerweile eine Leitlinie entwickelt: „Wir unterscheiden verschiedene Formen des Schwitzens“, sagt Albrecht, „davon hängt auch die Behandlung ab.“ Das generalisierte Schwitzen zeigt sich am ganzen Körper. Es gibt aber auch regionales Schwitzen an Händen und Füßen und das Achsel- sowie Stirnschwitzen. Dazu gibt es das gustatorische oder Geschmacksschwitzen, das nach dem Genuss von scharfen Speisen oder heißen Getränken auftritt.

Generell gilt aber für alle Formen: zunächst die Ursachen bekämpfen. Also Gewicht reduzieren, weniger Kaffee trinken, leichte und luftige Baumwollkleidung tragen, nicht so heiß und scharf essen, kein Nikotin. Deoroller können darüber hinaus helfen – aber nur solche mit Aluminiumverbindungen, zum Beispiel -hydroxid, das die Schweißausgänge verätzt und so verschließt.

Ein gängiges Mittel ist auch Vagantin. Es enthält Methan-Thelinium-Bromid und bewirkt eine Unterbrechung der Nervenübertragung. Bei den Dermatologen in Spandau wird dieses Medikament mit unterschiedlichem Erfolg verschrieben.

Der als „Botox“ bekannte Stoff Botulinum-Toxin, der in der Schönheitsbehandlung für die Hautstraffung genutzt wird, kann auch unter die Achseln gespritzt werden. Dort blockiert er für acht bis zehn Monate die Nerven. Eine Behandlung mit Botox kostet ab 250 Euro und wird in der Regel nicht von der Kasse übernommen. Bei Händen und Füßen wird diese Methode nicht als Erstes eingesetzt, weil das Nervengift dort zu Lähmungserscheinungen führen kann. Wegen der dünnen Fettschicht an diesen Körperstellen trifft das Gift beim Einsatz unter der Haut schneller die Muskeln. An Händen und Füßen wird deshalb zunächst die Leitungswasseriontophorese angewandt. Hand oder Fuß werden dabei in ein Wasserbad gehalten, durch das leichter Gleichstrom fließt. Der Strom setzt die Aktivität der Nerven herunter, und das führt zu geringerem Schwitzen. Bei 80 bis 90 Prozent aller Patienten hilft diese Methode, sagt Gisela Albrecht.

In den Achselhöhlen können die Drüsen im Extremfall auch operativ entfernt werden. Unter örtlicher Betäubung werden sie mit einem Stab mechanisch abgerupft. „Wie beim Ernten der Radieschen“, sagt die Dermatologin. Der Vergleich ist deshalb passend, weil die Drüsen rötlich schimmern.

Einem gängigen Vorurteil widerspricht die Ärztin allerdings: dass kalte Getränke und reichlich Eis das Schwitzen noch verstärken, weil der Körper innerlich zu stark abkühlt und das Thermometer im Gehirn ein Signal zum Aufheizen gibt. „Das führt eher zu Kreislauf- oder Magenbeschwerden“, erklärt Gisela Albrecht. In einigen Fällen von Überhitzung wird Eiswasser sogar bewusst zum innerlichen Abkühlen genutzt.

Trinken ist ohnehin das Wichtigste – vor allem, wenn es draußen heiß ist. Egal, ob man viel oder wenig schwitzt. „Wer den ganzen Tag zu wenig trinkt, bekommt eine zu hohe Körperkerntemperatur und kippt irgendwann um.“

Ingo Wolff

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