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Gesundheit: Semesterstart: Klug ist der Mensch und dumm sein Programm

Lothar Bisky, der einst mit Gregor Gysi an der Spitze der PDS-Reformer stand, spricht wenige Wochen vor dem Wahltag zur Semestereröffnung in der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft. Bietet die größte Fachhochschule Berlins damit dem PDS-Vertreter ein Podium zum Wahlkampf?

Lothar Bisky, der einst mit Gregor Gysi an der Spitze der PDS-Reformer stand, spricht wenige Wochen vor dem Wahltag zur Semestereröffnung in der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft. Bietet die größte Fachhochschule Berlins damit dem PDS-Vertreter ein Podium zum Wahlkampf? Verdächtigungen werden dieser Tage schnell geäußert, aber seit Jahren ist es üblich, dass die Universitäten und großen Fachhochschulen Prominente zur Semestereröffnung sprechen lassen, und so hatte die FHTW in den vergangenen Jahren einmal den Wirtschaftsmanager Norbert Bensel von DaimlerChrysler Services und ein anderes Mal den ehemaligen Wissenschaftssenator im Diepgen-Senat, George Turner, sprechen lassen. Von Einseitigkeit keine Spur.

Lothar Bisky vermeidet jede Äußerung, die auch nur den Verdacht einer Parteinahme erwecken könnte. Selbst zu den Terroranschlägen auf das World Trade Center und das Pentagon ließ sich der Medienwissenschaftler keine tiefere Analyse entlocken. Er beschränkte sich auf die Aussage, dass die tatsächlichen Bilder des Grauens die Filme des Grauens überholt hätten. Die vor nichts zurückschreckenden und zugleich medienbewussten Terroristen hätten Bilder von einer "Ästhetik des Grauens" erzeugt, die weltweit ausgestrahlt worden seien.

In den Mittelpunkt seines Vortrags stellte Bisky eine Analyse der Mediengesellschaft vor den Terroranschlägen. Heute nutzten viele die Informationshappen wie die Brötchen zum Frühstück. Ereignisse des Weltgeschehens würden mundgerecht weitergereicht und von meist unkonzentrierten Bürgern aufgenommen. Nur eine Minderheit rezipiere die Nachrichten bewusst. Aus dieser Mixtur bildeten sich dann die Vorstellungen von Politik. Nicht kurzfristig, aber langfristig würden solche Infotainment-Nachrichten das Weltbild verändern.

Heute sei die mediale Präsenz wichtiger als die umfassende Information. Zwar gebe es eine immer bessere mediale Technik und immer mehr gut ausgebildete Menschen, so dass sich die Frage stelle, ob "immer klügerere Menschen immer dümmere Programme brauchten?". Biskys Antwort: Talkshows seien zu "Denkmälern für das Ende der Aufklärung" geworden. Die Einschaltquoten ebneten das Niveau ein, je mehr Fernsehkanäle, um so "oberflächlicher die Grundtendenz".

Den Politikern warf Bisky vor, sich dieser Medienwelt zu bedienen und die Kunst zu üben, möglichst wenig an Inhalten unterhaltsam zu präsentieren. Von Flexibilität sprächen die Politiker nur dann, wenn sie von den Arbeitnehmern neues Denken erwarten. Sie selbst klebten wie Beamte an ihren Positionen. Besser wäre es, wenn Politik nicht zum Lebensberuf würde, sondern von Berufstätigen aus den verschiedensten Bereichen auf Zeit ausgeübt werde. Bisky schloss seine Ausführungen mit dem Appell an die Studenten, während des Studiums die Kommunikation zu trainieren, entweder um Wissenschaft verständlicher für alle darzustellen oder sich in Medienwelt und Politik einzumischen. "Vor Ihnen stehen spannende Zeiten. Ich könnte Sie darum beneiden."

Die Fachhochschule für Technik und Wirtschaft in Karlshorst, mit 8000 Studenten die größte FH in Berlin, hat in diesem Wintersemester einen Rekordandrang von neuen Studenten zu verzeichnen: 1400 sind es, und von ihnen nahmen über 1000 an der Semestereröffnung teil. FHTW-Präsident Helmut Schmidt versprach seinen Studenten keinen Massenbetrieb, sondern Offenheit auch für viele persönliche Kontakte zu den Lehrenden.

Uwe Schlicht

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