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Gesundheit: Senat kann Versprechen nicht halten: Wider den Verlust der Mitte

"Ohne Emotionen" sollen sie die Frage des Campus Mitte betrachten, hatte Eberhard Diepgen auf dem Neujahrsempfang der Charité von deren Mitarbeitern gefordert. Gerade dies ist ihnen offenbar unmöglich.

"Ohne Emotionen" sollen sie die Frage des Campus Mitte betrachten, hatte Eberhard Diepgen auf dem Neujahrsempfang der Charité von deren Mitarbeitern gefordert. Gerade dies ist ihnen offenbar unmöglich. Das zeigten die zwischen Hoffnung und Enttäuschung schwankenden Reaktionen auf die Rede des Regierenden Bürgermeisters.

Diepgen hatte sich (wie schon gestern kurz gemeldet) zwar zur Erhaltung des Standorts Mitte einschließlich des Hochhauses für Krankenversorgung, Forschung und Lehre bekannt, aber ohne konkrete Festlegungen. Und er musste einräumen, dass der Senat das Versprechen nicht halten kann, von dem die "alte" Charité die Zustimmung zur Fusion mit dem Virchow-Klinikum abhängig gemacht hatte: 800 Millionen Mark (wovon die Hälfte der Bund trägt) für die Sanierung des Campus Mitte. Bis 2004 werden nun laut Diepgen nur insgesamt 600 Millionen Investitionsmittel fließen, wovon zwei Drittel schon ausgegeben wurden, vor allem für die Wiederherstellung der alten Klinik für Innere Medizin.

Es nimmt nicht Wunder, dass Ärzte mit allen Fasern ihres Herzens am geschichtsträchtigen Standort Mitte hängen, die nach der Wende jahrelang erfolgreich gegen die drohende "Abwicklung" und für die geistige Erneuerung der Charité kämpften, wie der langjährige Nach-Wende-Dekan Harald Mau und die damalige Ärztliche Direktorin und heutige Prodekanin Ingrid Reisinger. Wie sehr sich aber auch viele der aus den alten Bundesländern stammenden neu berufenen Professoren mit dem weltberühmten Campus emotional verbunden fühlen, zeigten kürzlich die Wahlen: Im Campus Mitte arbeiten sowohl der neue Ärztliche Direktor Manfred Dietel (seit sieben Jahren Direktor des Instituts für Pathologie) als auch sein Stellvertreter Stefan Loening (Direktor der Klinik für Urologie).

Beide äußerten sich erleichtert darüber, dass Diepgen die Planspiele in manchen Politikerköpfen offensichtlich nicht ernst nimmt. Von einer weiteren Fusion - mit dem Benjamin Franklin-Klinikum - mit dem Resultat eines nicht mehr regierbaren medizinischen Monstergebildes war gar nicht erst die Rede. Und auch nicht davon, das Hochhaus oder gar den ganzen Campus Mitte nur noch der medizinischen Forschung vorzubehalten.

Diese Idee nannte Dietel absurd - wozu man wissen muss, dass Deutschland mit der anwendungsnahen klinischen Forschung ohnehin im Rückstand ist. Die Charité (im letzten Jahr mehr als 80 Millionen eingeworbene Drittmittel) steht nach Mitteilung ihres Ärztlichen Direktors gerade in solchen Fächern auf dem höchsten internationalen Niveau der Krankenversorgung, in denen sich die Ärzte auf eigene wissenschaftliche Forschung stützen können.

Was Diepgen angesichts der Lage im Gesundheitswesen der Charité nicht garantieren konnte, ist "Planungssicherheit". Dietel zitierte eine Warnung, die der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft voriges Jahr bei einer Begutachtung formuliert hatte: "Da in letzter Zeit in Berlin viele einmal getroffene Entscheidungen immer wieder in Frage gestellt werden, muss man von einem ernsten Standortnachteil für die Berliner klinische Medizin spechen." Dietel ist dennoch optimistisch, dass die Charité bald wieder zum bedeutensten deutschen Klinikum werden könnte.

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