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Vergiftet. Bei Sepsis gelangen Bakterien, Viren und Pilze in den Kreislauf und breiten sich im ganzen Körper aus.

© imago

Sepsis: Kampf bis aufs Blut

Medizinische Fachgesellschaften und Experten fordern einen Nationalen Aktionsplan gegen Sepsis. Doch das Bundesgesundheitsministerium bleibt untätig.

Im Jahr 2011 haben die Deutschen Krankenhäuser 175 051 Sepsisfälle, davon 50 000 sepsisbedingte Todesfälle, an das statistische Bundesamt gemeldet. Die tatsächliche Zahl ist wahrscheinlich deutlich höher. Sepsis ist damit häufiger als Brustkrebs, Darmkrebs und AIDS und ist in Deutschland die dritthäufigste Todesursache.

Doch Sepsis – im Volksmund auch Blutvergiftung genannt – ist weniger als der Hälfte aller Deutschen bekannt. Nur die wenigsten wissen, dass nahezu jede akute Infektion eine Sepsis auslösen kann. Die häufigsten Ursachen sind Lungenentzündungen, Infektionen im Bauchraum, Harnwegs- und Wundinfekte.

Nahezu 50 Prozent der Sepsisfälle entstehen gar nicht im Krankenhaus, sondern in der häuslichen Umgebung, am Arbeitsplatz und in der Freizeit. Auch Ebola- und Grippeviren können eine Sepsis auslösen.

Sepsis kostet weltweit mehr Menschen das Leben als Krebs

Besonders gefährdet sind Menschen mit einer angeborenen oder erworbenen Schwäche der Infektabwehr wie etwa Frühgeborene oder Menschen ohne Milz und mit chronischen Erkrankungen der Leber, Lungen, Nieren und des Herzens, insbesondere der Herzklappen. Die Einnahme von immunsuppressiven Medikamenten oder Chemotherapien bei Krebserkrankungen erhöhen ebenfalls das Sepsis-Risiko.

Die Sterblichkeit von Patienten, die an einer Sepsis erkranken, liegt zwischen 28 und 50 Prozent. Weltweit kostet Sepsis mit jährlich acht bis zehn Millionen Todesfällen mehr Menschenleben als Krebs. Und jährlich nimmt die Zahl der Todesfälle zu. In den Jahren 2000 bis 2008 haben sich die Sepsisfälle in den USA nach Angaben des Center for Disease Control pro Jahr von 621 000 auf deutlich über eine Million Fälle fast verdoppelt.

Eine ganz wesentliche Ursache für den kontinuierlichen Anstieg der Sepsisfälle ist der demografische Wandel mit einem wachsenden Bevölkerungsanteil von älteren Patienten mit chronischen Erkrankungen. Aber auch der medizinische Fortschritt spielt eine Rolle, denn er bringt es mit sich, dass ein immer größerer Anteil an Menschen bis ins hohe Lebensalter operativen und medizinischen Interventionen unterzogen wird, die wiederum die Infektabwehr des Körpers schwächen und die Sepsisgefahr erhöhen.

Gesundheitsminister Gröhe erntet Kritik

Nationale und internationale Initiativen von Fachleuten und Betroffenen haben sich zum Ziel gesetzt, die Sepsissterblichkeit bis zum Jahr 2020 um 20 Prozent zu senken. Alleine durch Grippe und Pneumokokkenimpfung, Beachtung der elementaren Hygieneregeln und Früherkennung ließe sich in Deutschland die Zahl der Sepsistoten jährlich um rund 15 000 bis 20 000 verringern. Deshalb fordern medizinische Fachgesellschaften und Experten von der Politik einen Nationalen Aktionsplan gegen Sepsis.

Leider war Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe bisher weder bereit, das Memorandum persönlich entgegenzunehmen noch der Forderung nachzukommen, dass sein Ministerium die Moderation für die Erarbeitung dieses dringend benötigten Planes übernimmt.

Warum dies nicht in ähnlicher Weise geschieht wie es beim 2008 initiierten Aktionsplan gegen Krebs der Fall war, ist inhaltlich nicht nachvollziehbar.

Der Autor ist Chairman der Global Sepsis Alliance

Konrad Reinhart

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