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Gesundheit: Sie lassen Prüfungen und Diplome sausen

Tausende Studenten demonstrierten in den letzten Tagen auf den Straßen von MarburgVON JOACHIM PEUKERTLichterketten in der Stadt, Verhüllungen.In der Nacht ab 22 Uhr treffen sich die Studenten zum Streikkino in der Philospophischen-Fakultät, Professoren halten öffentliche Vorlesungen.

Tausende Studenten demonstrierten in den letzten Tagen auf den Straßen von MarburgVON JOACHIM PEUKERTLichterketten in der Stadt, Verhüllungen.In der Nacht ab 22 Uhr treffen sich die Studenten zum Streikkino in der Philospophischen-Fakultät, Professoren halten öffentliche Vorlesungen.Kurz gesagt: Marburg ist im Streikfieber. Allein am vergangenen Mittwoch protestierten rund 10 000 hessische Studenten und Studentinnen aus Gießen und Marburg.In einem 800 Meter langen Demonstrationszug zogen sie gemeinsam vom Bahnhof zum Hörsaalgebäude und forderten lautstark bessere Studienbedingungen.Nichts besonderes für die schon studentengewohnten Bürger in dieser traditionsreichen Universitätsstadt.Selbst in kälteren Jahreszeiten ist es hier schon oft zu öffentlichen Versammlungen akademischer Art gekommen. Diesmal habe sich indessen manches geändert, erzählt Silke, die im vierten Semester im Fach Politologie eingeschrieben ist."Wir haben ein größeres Zusammengehörigkeitsgefühl entwickelt." Es gebe keinen Fachbereich mehr, der nicht von den Einsparungen betroffen sei.Überfüllte Hörsäle allenthalben, kein Zugang zu den überfüllten Seminaren, und, und, und ...Die Studentin organisierte unter anderem öffentliche Vorlesungen mit den sich solidarisch erklärenden Professoren aus den Fachbereichen Psychologie, Physik, Politik oder Anglistik auf dem Marburger Marktplatz. Auch andere Studenten setzen sich in Marburg inzwischen für eine moderatere Hochschulpolitik ein.Rund um die Uhr diskutieren und organisieren Marburgs Studierende, stellen Aktionen auf die Beine, die in ganz Deutschland auf Resonanz gestoßen sind.42 Arbeitskreise wurden eingerichtet, unter anderem für die Bereiche Hochschulreform, Öffentlichkeitsarbeit, Kontakt zu Lehrenden und Politikern.Astrid, eine Psychologiestudentin im dritten Semester, hat mit zwei Freundinnen die Aktionsgruppe "Kontakte zu Schulen" gegründet, alle Marburger Schulen angeschrieben und diese auf die studentischen Probleme aufmerksam gemacht.Es folgten Flugblattaktionen und Gespräche mit dem Stadtverbindungslehrer, dem Stadtschülerrat und Schülern.Im Computerraum des Instituts für Physik trifft sich jeden abend die Redaktion der Streikzeitung, um die Kommilitonen und Kommilitoninnen aktuell über die Situation und Stimmung an der Uni zu informieren. Viele Studenten haben schon Prüfungen oder Vordiplom für eine verbesserte Bildungs- und Sozialpolitik sausen lassen.Wie es weitergehen wird, weiß niemand.Doch inzwischen haben sich in Hessen, wo die Proteste Anfang November begonnen hatten, nach Angaben des Wissenschaftsministeriums sämtliche Fachhochschulen dem Streik angeschlossen.So verkündeten die Studenten der Fachhochschulen in Fulda und Wiesbaden einen unbefristeten Vorlesungsboykott. Auch auf andere Bundesländer haben die Proteste übergegriffen.In Rheinland-Pfalz ist mit der Universität Landau eine erste Hochschule in Streik getreten.In Schleswig-Holstein streiken bereits die Studenten der Pädagogischen Fakultät der Uni Kiel.Am Montag soll über die Ausdehnung der Protestaktion auf die gesamte Uni entschieden werden.In Nordrhein-Westfalen wollen die Studenten der Unis Essen, Wuppertal und Duisburg in der kommenden Woche abstimmen.In Bayern laufen bislang nur an der Uni Regensburg Vorbereitungen für Protestaktionen.Studentensprecher Winfried Fischer-Güttich sagte aber, andere bayerische Universitäten warteten nur auf eine "Initialzündung".Für Marburgs Studenten sicherlich ein Ansporn mehr, den Protest so schnell nicht zu beenden.

JOACHIM PEUKERT

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