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Gesundheit: Soll die Strafe auf dem Fuße folgen?

Es ist eine feste Überzeugung unter Kriminologen, und sie fungiert als Dogma in vielen Lehrbüchern der Psychologie und Pädagogik: Strafen haben nur dann eine heilsame Wirkung, wenn der Missetäter sie möglichst rasch nach Begehen der Missetat zu spüren bekommt. Doch neue Befunde geben Anlass, diese Ansicht noch einmal gründlich zu überdenken.

Es ist eine feste Überzeugung unter Kriminologen, und sie fungiert als Dogma in vielen Lehrbüchern der Psychologie und Pädagogik: Strafen haben nur dann eine heilsame Wirkung, wenn der Missetäter sie möglichst rasch nach Begehen der Missetat zu spüren bekommt. Doch neue Befunde geben Anlass, diese Ansicht noch einmal gründlich zu überdenken.

Der Glaube, dass nur unverzügliche Strafen „anschlagen“, leitet sich von Konditionierungsexperimenten an Tieren ab, erläutert der Kriminologe Daniel S. Nagin von der Carnegie Mellon University in Pittsburgh. So lassen sich Ratten nur dann durch unangenehme Reize von Handlungsmustern abbringen, wenn die Bestrafung spätestens binnen sechs Sekunden nach der Aktivität erfolgt.

Doch ob dies auch für Menschen gilt, die sehr weit in die Zukunft sehen können, ist fraglich. Um die Annahme zu prüfen, hat Nagin 252 Probanden in Situationen versetzt, in denen es verlockend war, nach einer durchzechten Nacht betrunken am Steuer eines Autos heimzufahren. Das Risiko, erwischt zu werden, war unterschiedlich hoch, und die Strafe bestand in einem Führerscheinentzug von drei, neun oder 15 Monaten, der gleich nach der Tat oder in einem Abstand von bis zu 18 Monaten vollstreckt wurde.

Wie die Ergebnisse zeigen, spielte die Unverzüglichkeit der Strafe überhaupt keine Rolle für die Bereitschaft, die kriminelle Handlung zu begehen. Den stärksten Einfluss hatte die Strafgewissheit: Eine hohe Gefahr, erwischt und sanktioniert zu werden, dämpfte die kriminellen Impulse deutlich. Auch mit der Schwere der Strafe ging der abschreckende Effekt (etwas) in die Höhe. Dabei waren den Teilnehmern die nicht-legalen Folgen (das peinliche „Stigma“ des Erwischtwerdens) unangenehmer als die juristischen Konsequenzen. Sie hätten im Durchschnitt 4300 Dollar für einen Anwalt hingeblättert, der ihnen die Peinlichkeit erspart hätte – doppelt so viel wie für die Verhinderung des Führerscheinentzugs.

Rolf Degen

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