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Gesundheit: Spuk über den Wolken

Forscher haben gewaltige Blitze entdeckt – sie zucken 70 Kilometer hoch

In diesen Tagen ziehen wieder dicke Wolken übers Land. Schon in den vergangenen Wochen haben Sommergewitter Häuser abgedeckt, Blitze haben unzählige Bäume gespalten. Doch was wir hier unten am Erdboden von den Gewittern mitbekommen, ist nichts gegenüber dem, was sich oberhalb der Wolken abspielt.

Taiwanesische Wissenschaftler haben kürzlich Lichtblitze ungeahnten Ausmaßes oberhalb der Wolken entdeckt. Über einer Gewitterwolke in 16 Kilometern Höhe bildeten sich zunächst feine, blasse Leitblitze. Sie bahnten den Weg für eine spektakuläre Lichtshow und zuckten bis hinauf zur 90 Kilometer hohen Ionosphäre.

Insgesamt fünf Mal beobachteten Han-Tzong Su von der Universität Tainan und seine Kollegen ein solches über 70 Kilometer langes Geflecht leuchtender Blitze. Es hatte für wenige Millisekunden die Form von verzweigten Baumästen, berichten die Wissenschaftler jetzt im Fachmagazin „Nature". Danach verblassten die „Gigantische Jets“ getauften Blitze wieder. Zusammen mit japanischen Blitzforschern gelang es Su jedoch, das bis dahin unbekannte Naturspektakel über dem Südchinesischen Meer nahe der philippinischen Insel Luzon zu filmen.

Von strahlend roten oder blauen Leuchterscheinungen oberhalb von Gewitterwolken in 40 bis 70 Kilometer Höhe berichten Piloten auf ihren Höhenflügen seit Jahrzehnten. In den letzten 15 Jahren wurden ringförmige rote „Elfen“, zerfranste, blaurote „Kobolde“ und stabförmige „Blaue Jets“ entdeckt. Diese Gegenstücke zu den vertrauten Blitzen zwischen Wolken und dem Erdboden reißen gewaltige, elektrische Ladungen mit sich.

Doch sie sind klein im Vergleich zu den jetzt aufgespürten 70 Kilometer langen Entladungen, die eine Verbindung zwischen den Gewitterwolken und der Ionosphäre schaffen. Diese neue Klasse von Blitzlichtgewittern ergänzt das gängige Bild des Elektrizitätskreislaufs der Erde.

Gewitter sind, vereinfacht dargestellt, Generatoren, die den Strom von der Oberseite der Wolke zur Ionosphäre treiben. Dort ist das elektrische Potenzial Hunderte Kilovolt höher als auf der Erdoberfläche.

Geht man der Herkunft der Blitze genauer nach, stellt man fest, dass sie durch die unterschiedliche elektrische Ladung von kleinen Wassertröpfchen und Eiskristallen innerhalb von Gewitterwolken entstehen. Durch Wind und die damit verbundene Reibung werden kleinere Partikel positiv und die größeren negativ aufgeladen.

100 Entladungen pro Sekunde

Luftströme können die kleineren Teilchen an den oberen Rand der Wolke wirbeln. So bildet sich ein Ladungsungleichgewicht innerhalb der Wolke: zwischen ihrer Oberseite und der Ionosphäre oder aber zwischen dem negativ geladenen unteren Bereich und dem Erdboden. Wird diese Spannung zu groß, entlädt sie sich als Blitz. Die Luft dehnt sich durch das schlagartige Erhitzen wie die Schockwelle einer Explosion plötzlich aus: Der Donner kracht.

Weltweit wüten in jedem Moment um die 2000 Gewitter. Die weitaus meisten Blitze springen dabei innerhalb einer oder zwischen zwei Wolken über und sind wie die „Giganten“, „Elfen“ und „Kobolde“ von der Erde aus kaum zu sehen.

Dennoch treffen Schätzungen zufolge rund 100 Blitze pro Sekunde die gesamte Erdoberfläche. In Deutschland zum Beispiel werden etwa 750 000 Blitzeinschläge pro Jahr gezählt. Vor allem die starken Sommergewitter, die uns in diesen Tagen wieder heimsuchen, sind gefürchtet.

Die gewaltige Kraft des leuchtenden Naturschauspiels beeindruckt auch in den Zeiten von Blitzableiter und geerdeter Stromleitung. Mit Radargeräten wurden zwischen Wolken schon horizontale Blitze von 140 Kilometern Länge gemessen. Vertikale Erdblitze sind im Schnitt fünf bis sieben Kilometer lang und zucken mit einer Geschwindigkeit von bis zu 100 000 Kilometern pro Sekunde zwischen Himmel und Erde. Das ist ein Drittel der Lichtgeschwindigkeit und würde ausreichen, den Blitz in einer Sekunde zweimal um die gesamte Erde zu jagen. Bei dem Tempo kann das menschliche Auge nicht erkennen, ob die Lichtspur von der Erde zur Wolke oder umgekehrt verläuft. Erst Hochgeschwindigkeitsaufnahmen haben das Auf und Ab eines Blitzstrahls gezeigt.

Heißer als die Sonne

Zuerst löst sich eine Vorentladung aus der Wolke und rast zur Erde. Dem kaum sichtbaren Leitblitz springt von einem oder mehreren erhöhten Punkten eine elektrische Fangentladung entgegen und rast im Kanal des Vorblitzes nach oben. Dieser hell leuchtende Hauptblitz hat eine Stromstärke von mehreren 10000 Ampere.

Die höchste gemessene Temperatur in solch einem Blitzkanal von nur wenigen Zentimetern Durchmesser betrug 30000 Grad Celsius. Das ist fünf Mal so heiß wie die Oberfläche der Sonne. Nach der ersten Entladung rasen noch mehrere Blitze so schnell hin und her, dass das Auge nur einen einzigen flackernden Zickzackstrahl wahrnimmt.

Mit jährlich etwa zehn Blitztoten ist die Wahrscheinlichkeit, vom Blitz erschlagen zu werden, geringer als die, sechs Richtige im Lotto zu tippen. Die Gefahren, die ein mit dem Gewitter verbundener Sturm mit sich bringt, sind meist höher einzustufen.

Gleichwohl ist Vorsicht geboten. Denn auch wer einen Blitzeinschlag direkt oder in unmittelbarer Nähe überlebt, kann schwere Verletzungen davontragen. Ein Blitzeinschlag kann im Höchstfall einige 100000 Ampere in die Erde jagen. Noch im Umkreis von 20 Metern fließt Strom durch den Boden.

Befindet sich ein Mensch in diesem Spannungstrichter, überbrückt er, je weiter seine Füße auseinander stehen, eine umso größere Spannung. Diese Schrittspannung kann einen gefährlich hohen Strom durch den Körper treiben, zu schweren Verletzungen und zu vorübergehender Lähmung führen. Kann man sich bei Gewitter nicht in einen Wagen oder ein Gebäude retten, lautet daher eine der Verhaltensregeln: Füße zusammen und möglichst weit entfernt von möglichen Einschlagstellen wie Bäumen, Holzmasten, Gegenständen aus Metall und anderen Menschen in die Hocke gehen.

Margit Mertens

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