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Gesundheit: Stasi-Schnipsel lesbar gemacht

Computer fügt Fetzen zusammen

Studenten des Instituts für Informatik der Technischen Universität München haben jetzt den Prototypen eines Computerprogramms entwickelt, mit dessen Hilfe Teile zerrissener Dokumente rekonstruiert werden können. Die Technik wird am heutigen Dienstag vorgestellt. Bei der Präsentation ist eine potenzielle Interessentin anwesend: Marianne Birthler, die immer noch Herrin Tausender von Säcken zerrissener Stasi-Akten ist.

Schließlich versuchte das DDR-Ministerium für Staatssicherheit seit Ende 1989 über etliche Wochen hinweg, Unterlagen mit belastenden Inhalten zu vernichten. Aufgrund der schieren Menge jedoch konnte viel Material gar nicht bis zur Unkenntlichkeit zerstört werden. Den Stasi-Mitarbeitern gelang es oft nur, die Akten zu immer noch lesbaren Teilen zu zerreißen. Die ursprünglich 34 Millionen Seiten bestehen nun aus sechs bis sieben, manchmal aber auch aus bis zu 30 Fragmenten. Sie lagern in mehr als 1600 Säcken im Archiv der „Bundesbehörde für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR“, früher bekannt unter dem Begriff „Gauck-Behörde“.

Dieses Amt hatte schon 1995 einen Anlauf unternommen, nach elektronischen Helfern für die Rekonstruktion zu suchen. Das scheiterte jedoch an den Kosten. Seither sind 25 Beamte damit beschäftigt, das Material von Hand wieder zusammenzustellen. Aber das dauert. Bisher haben sie erst den Inhalt von rund 300 Säcken bewältigt.

Studenten von Angelika Steger, Dozentin am TU-Institut für Informatik in Garching, haben vor zwei Jahren begonnen, einen Software-Prototypen zu entwickeln, der das automatisch schaffen soll. Hierzu müssen die Teile eingescannt werden. Das Programm sucht an bestimmten Stellen nach Merkmalen und macht diese Parameter vergleichbar, um passende „Nachbarn“ zu ermitteln.

„Marktfähig“ ist das System noch nicht, sagt Angelika Steger. An einigen Stellen müsste noch gefeilt werden. Aber das Verfahren könnte mit viel geringerem finanziellen Aufwand laufen als früher geschätzt. Genau haben die Informatiker das noch nicht durchgerechnet, sie wollten erst einmal wissenschaftlich nachweisen, dass ihre Methode funktioniert.

Steger rechnet freilich immer noch mit einem zweistelligen Millionenbetrag für die gesamte Aufarbeitung der Akten-Schnipsel. Und das liegt gar nicht an den Kosten für die Technik, sondern daran, dass immer noch genügend Handarbeit übrig bliebe.

Hochleistungsscanner mit Bandeinzug gibt es zwar, sagt die Informatik-Dozentin, sie müssten allerdings für diese Aufgabe angepasst werden. Dennoch werden sie nicht in der Lage sein, selbst zu den Säcken zu greifen, sie zu öffnen und die Schnipsel passend aufs Fließband des Scanners zu legen. Auch wenn die Technik eingesetzt wird, dürften also noch fünf bis sieben Jahre vergehen, bis alle Akten wiederhergestellt sind, schätzt Steger.

Gideon Heimann

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