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Gesundheit: Sterne wie Sand am Meer

Wissenschaftler haben herausgefunden, wie viele Himmelskörper es im Universum gibt – eine wahrhaft astronomische Zahl

Sieben Jahre lang zählte Friedrich Wilhelm August Argelander die Sterne. Nacht für Nacht schaute er in der Bonner Sternwarte durchs Fernrohr. Hatte er einen Stern im Visier, stampfte der Astronom mit dem Fuß auf. Das war das Zeichen für seinen Gehilfen, der ein Stockwerk tiefer die Uhrzeit ablesen und die Position des Sterns aufzeichnen musste. In den Jahren von 1852 bis 1859 registrierten Argelander und sein Nachtassistent auf diese Weise 324 198 Sterne.

Eine bemerkenswerte und doch bescheidene Zahl. Denn nun hat wieder ein Forscherteam Sterne gezählt. Und zwar alle, die mit heutigen Teleskopen zu sehen sind. Freilich nicht Stern für Stern. Der australische Astronom Simon Driver hat die Zahl der Sterne vielmehr anhand der Leuchtkraft aller sichtbaren Galaxien abgeschätzt.

Er kommt dabei auf die erstaunliche Zahl von 70000000000000000000000 Sternen, wie er vergangene Woche auf der Konferenz der Internationalen Astronomischen Vereinigung in Sydney berichtete. Ausgesprochen: 70 Trilliarden Sterne. Und das sei nur der für uns sichtbare Teil des Alls. Insgesamt gebe es im All wohl mehr Sterne als Sandkörner an den Stränden und in den Wüsten der Erde.

Wie viele Planeten der Kosmos beherbergt, ist erheblich schwerer einzuschätzen. Denn Planeten erzeugen im Gegensatz zu den Sternen kein Licht. Sie reflektieren allenfalls das Licht der Sterne. Und leider zu wenig davon, um sie auf große Entfernung wahrnehmen zu können.

Der Schweizer Astronom Michel Mayor gehört zu jenen Forschern, die nach fernen Planeten suchen. 1995 entdeckte er zusammen mit seinem Doktoranden Didier Queloz erstmals einen Planeten außerhalb des Sonnensystems. Sie konnten ihn zwar nicht direkt sehen. Aber der große Planet zerrte auf Grund seiner Schwerkraft deutlich erkennbar am Rockzipfel seines Muttersterns, den Mayor und Queloz über Monate hinweg beobachteten. Der Stern 51 Pegasi wackelte hin und her.

Inzwischen haben Astronomen auf diese Weise mehr als 100 ferne Planeten und Planetensysteme gefunden. Bislang haben sich allerdings fast nur solche Planeten bemerkbar gemacht, die so groß wie Jupiter sind und die ihrem Mutterstern ganz nahe kommen: riesige, heiße Gasplaneten.

Michel Mayor schätzt indessen, dass nahezu jeder Stern Planeten besitzt. Dafür spricht nicht zuletzt, dass Planeten nach gängigen Vorstellungen stets gleichzeitig mit dem Stern entstehen. Sie wachsen aus der Schicht von Staub und Gas heran, die sich zwangsläufig in einer Scheibe um den aufkeimenden Stern sammelt. Wenn es also schon 70 Trilliarden Sterne in dem für unsere heutigen Teleskope sichtbaren Universum gibt, könnten darin noch mehr Planeten ihre Bahnen ziehen: Himmelskörper so klein wie die Erde oder so groß wie Jupiter. Und solche, die viel älter sind als diese.

Planeten gibt es nämlich nicht erst seit Bestehen der Erde. Kürzlich haben Steinn Sigurdsson von der Pennsylvania State University und seine Kollegen mit dem Weltraumteleskop „Hubble“ im Sternbild Skorpion einen uralten Planeten in unserer Milchstraße aufgespürt. Wiederum nur mit Hilfe indirekter Nachweismethoden. Sie schätzen sein Alter auf 12,7 Milliarden Jahre. Denn die Sterne in dem Kugelhaufen, in dem er sich aufhält, sind etwa in diesem Reifestadium.

Der „Methusalem-Planet“ wäre damit drei Mal so alt wie unsere Erde. Und nur rund eine Milliarde Jahre jünger als das Universum selbst. Denn vor 13,7 Milliarden Jahren nahm unsere kosmologische Zeitrechnung ihren Anfang.

Frank Bertoldi vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn und sein Team haben tief in die Frühzeit des Kosmos zurückgeschaut (siehe Kasten). Wie sie in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins „Nature“ (Band 424, Seite 406) darlegen, haben sie eine sehr weit entfernte Galaxie beobachtet. Die Strahlung dieser Galaxie erreicht uns aus einer Zeit, als das Universum erst 850 Millionen Jahre alt war. Und sie lässt einige Rückschlüsse auf die chemische Zusammensetzung des Kosmos in den ersten paar 100 Millionen Jahren nach dem Urknall zu.

Bertoldi stellte fest, dass die Materie schon damals mit Kohlenstoff, Sauerstoff und Staub angereichert war. „Vor zehn Jahren hätte niemand geglaubt, dass sich große Mengen von Staub und schweren Elementen so schnell nach dem Urknall bilden konnten“, sagt er. Die ersten Generationen von Sternen müssen den Staub erbrütet haben.

Bertoldi geht davon aus, dass es spätestens 200 Millionen Jahre nach dem Urknall erste Sterne gab. „Es waren sehr massereiche und kurzlebige Sterne“, sagt er. Sie explodierten bereits nach einigen Dutzend Millionen Jahren und schufen die chemische Basis für die Entstehung späterer sonnenähnlicher Sterne und erdähnlicher Planeten.

Den Höhepunkt der Stern- und Planetenbildung erreichte der Kosmos viel später. „Die meisten Sterne sind etwa fünf Milliarden Jahre nach dem Urknall entstanden“, sagt Bertoldi. Seither dünnt das Universum langsam aus. Es dehnt sich aus, wird leerer und leerer, obwohl uns die Sternendichte in den Galaxien immer noch sehr hoch erscheint: Rund 100 Milliarden Sterne gibt es allein in unserer Milchstraße.

Was sagen uns diese Zahlen? Nicht viel mehr, als dass unserer Planetensystem nur eines unter unvorstellbar vielen ist. Wer aber von Trilliarden Planetensystemen nur ein einziges wirklich kennt und von weiteren 100 kaum mehr weiß, als dass es darin einen großen, heißen Jupiter gibt, der kann auf die Frage, ob es Leben oder Zivilisationen anderswo im Universum gibt, keine befriedigende Antwort geben.

Wie es der Mathematiker Carl Friedrich Gauß schon vor Argelanders Sternenzählung formulierte: „Es scheint mir fast eine frevelhafte Vermessenheit, das, was wir bei unseren beschränkten Kräften in unserem Raupenstande in der uns umgebenden materiellen Welt an Vollkommenheit und Unvollkommenheit wahrnehmen oder wahrzunehmen glauben, zum Maßstabe der ewigen Weisheit machen zu wollen."

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