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Gesundheit: Studienabschluss von der Firma: Mit einem Bachelor-Programm bildet die Industrie ihre Informatiker selbst aus

Auf einen angehenden Studenten musste die Veranstaltung im Berliner Siemens-Gebäude sonderbar wirken. Im Foyer wurde Champagner gereicht, im Saal gab es ein Rahmenprogramm mit Gastvorträgen und bunten Schaugrafiken zu bewundern.

Auf einen angehenden Studenten musste die Veranstaltung im Berliner Siemens-Gebäude sonderbar wirken. Im Foyer wurde Champagner gereicht, im Saal gab es ein Rahmenprogramm mit Gastvorträgen und bunten Schaugrafiken zu bewundern. Anlass der aufwendigen Präsentation war die Vorstellung des neuen Studienganges "Bachelor of Information and Communications", ein international begehrter Abschluss in der boomenden Informationstechnik (IT)-Branche. Der neue Studiengang wird von Siemens in Kooperation mit einer deutschen Fachhochschule in Berlin und Köln eingerichtet. Die Absolventen werden in der Firma ausgebildet, erhalten aber einen universitären Bachelor-Abschluss - ein Novum in der deutschen Hochschullandschaft, das Anhängern eines wissenschaftlichen Studiums suspekt sein dürfte. Denn die Ähnlichkeit mit einer betrieblichen Ausbildung ist enorm.

Lernen in Modulen

Jungen Abiturienten, die ab Oktober in das neue Fach einsteigen wollen, erwartet ein dichtgefülltes Programm. Die dreieinhalbjährige Ausbildung soll direkt an die Berufspraxis angebunden werden. Deshalb findet sie in den Trainings-Centern von Siemens statt, zunächst in Berlin und Köln. Um den Praxisbezug herzustellen, soll das Studium Praktikumsphasen von insgesamt einem Jahr haben, in denen die Studenten von einer Firma betreut werden. Die soll dann nach Möglichkeit auch die anfallenden Studiengebühren bezahlen - diese betragen pro Jahr stolze 18 000 Mark.

Auf die enge Verschränkung von Theorie und Praxis ist der Leiter des "Siemens Business College", Peter Löcher, besonders stolz: "Wir verbinden Kompetenzen im Businessbereich mit sozialen Fähigkeiten." Dafür sorge etwa die Vernetzung der einzelnen Studienfächer. Grundlagenfächer wie Mathematik, Betriebswirtschaftslehre und Informatik werden mit anwendungsorientierten Kursen verzahnt. So sollen die Studenten gemeinsam lernen, Software zu programmieren, Betriebsysteme zu betreuen und Probleme in Projektgruppen zu bearbeiten. Aus Löchers Mund hört sich das so an: "Der Dozent, der das Modul A2 unterrichtet, bereitet die Studenten auf das Modul C4 vor."

Was sich auf den ersten Blick kompliziert anhört, könnte in der Praxis zum interessanten Projekt reifen. Ein Drittel der Studientage sollen die Studenten im Netz verbringen. Von zu Hause aus sollen sie mit dem Laptop kommunizieren und interaktiv Projekte bearbeiten. In News-Groups und Chat-Foren soll ein großer Teil des Lernens absolviert werden, der Dozent betreut per E-Mail. Angesichts dieser Aussichten wundert es nicht, dass die Lehrzeit in Arbeitstagen berechnet wird - Vorlesungszeiten gibt es nicht. Vorlesungsfreie auch nicht.

Doch die zu erwartenden Überstunden dürften sich für die Absolventen lohnen. Ein "Bachelor of Business und Communications" ist international begehrt. Gerade in Deutschland werden sich die großen Firmen um den Computer-Nachwuchs schlagen. "Wir bilden Spitzenkräfte aus", ist sich Gesine Schmitthals von "Siemens Business Services" Berlin sicher. Allerdings werden sich die Spitzenkräfte nicht gemütlich zurücklehnen können. Vor ihrem Studienantritt müssen sie sich zunächst eine Firma suchen, die ihr Studium betreut und möglichst bezahlt. Da die jungen Leute nicht direkt an der Fachhochschule lernen, bekommen sie keinen Studentenstatus. Deshalb können sie auch nicht von den staatlichen Bafög-Förderprogrammen profitieren. Die unorthodoxen Rahmenbedingungen werden nur durch eine komplizierte rechtliche Grundlage möglich. Der Studiengang wird an der Fachhochschule Gelsenkirchen angesiedelt. Denn allein das Hochschulgesetz von Nordrhein-Westfalen bietet die Möglichkeit, den Studiengang gesetzlich anerkennen zu lassen. "Wir schlagen einen Keil in die deutsche Universitätslandschaft", sagt Detlef Mansel von der Fachhochschule Gelsenkirchen.

Charakter eines Studiums?

In einer Koordinierungsgruppe mit "Siemens" achtet er darauf, dass der "Charakter eines Hochschulstudiums berücksichtigt wird". Der Informatiker, der mit 14 Jahren sein erstes Radio auseinander gebaut hat, scheut das Unkonventionelle nicht: "Es geht darum, flexibler zu werden und auf die neuen Möglichkeiten einzugehen."

Nach Vorstellung der Macher soll der neue Studiengang bereits im kommenden Wintersemester gestartet werden. Die Pilotphase soll in Berlin und Köln mit Lerngruppen von jeweils 25 Personen gestartet werden. Bei Erfolg sollen andere Siemens-Standorte dazu kommen. Interessenten können sich ab sofort beim Siemens-Trainingscenter am Spandauer Rohdamm 85 (Tel. 386 242 80) bewerben. Mit der Fachhochschule Gelsenkirchen werden sie aber erst richtig in Berührung kommen, wenn sie dort ihre Abschlussprüfung ablegen. Mit dem bestandenen Bachelor-Abschluss könnten sie sogar zum Master-Studium zugelassen werden. Doch viele Firmen werden dann bereits auf die jungen IT-Kräfte warten. Mit Champagner natürlich.

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