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Gesundheit: Süden will Studenten nicht in den Osten schicken

Streit um den Hochschulpakt: Wer bekommt Geld für zusätzliche Studienplätze – und wie kann den neuen Ländern geholfen werden?

Bundeswissenschaftsministerin Annette Schavan will den Hochschulpakt 2020 am morgigen Donnerstag öffentlich vorstellen. Der Pakt soll dann zwischen Bund und Ländern weitgehend ausgehandelt sein. Ob Schavan aber mehr als Zwischenergebnisse vorlegen kann, ist fraglich. Denn in der Diskussion um die Finanzierung neuer Studienplätze für geburtenstarke Jahrgänge und doppelte Abiturjahrgänge gibt es noch etliche Streitpunkte.

Einig sind sich die Länder offenbar nur über folgende Eckpunkte: Von 2007 bis 2010 sollen 90 000 zusätzliche Studienplätze geschaffen werden. Als Berechnungsgrundlage gelten 22 000 Euro pro Studienplatz. Dabei werden die zusätzlichen Studienanfängerzahlen zum Ausgangspunkt genommen und mit einer Studienzeit von vier Jahren verknüpft. Das heißt, die neuen Studiengänge mit den Abschlüssen Bachelor und Master bilden die Basis. Die Finanzkalkulation ist eher auf dreijährige Bachelorstudiengänge zugeschnitten als auf die Kombination von Bachelor und Master mit fünfjähriger Dauer.

Schavan hat den Ländern Vorgaben gemacht: Für die Schaffung neuer Studienplätze sollen im Hochschulpakt 1,13 Milliarden Euro aufgewandt werden, von denen der Bund 565 Millionen Euro zur Verfügung stellen will und die Länder in gleicher Höhe gegenfinanzieren sollen. Dazu will Schavan 700 Millionen Euro bereitstellen, um die Forschung so auszufinanzieren, dass eingeworbene Drittmittel ergänzt werden. Und zwar durch die Kostenübernahme, die durch die Benutzung von Geräten, Räumen und Personal entstehen (Overheadfinanzierung).

Der erste Streitpunkt ist der Verteilungsschlüssel. Schavan legt das Jahr 2005 als Ausgangsdatum fest und will für die Kofinanzierung der Länder nur gelten lassen, was seitdem an neuen Studienplätzen geschaffen worden ist. Die Länder sollen auf die steigende Nachfrage nach Studienplätzen in den Jahren des Studentenbergs mit frischem Geld reagieren. In dieser Haltung wird Schavan vor allem von Bayern, Baden-Württemberg und Hessen unterstützt. Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger hat kürzlich harte Verhandlungen angekündigt: Länder, die für den Hochschulausbau wenig tun oder in den letzten Jahren Studienplätze gestrichen hätten, sollten nicht von den Bundesgeldern profitieren.

Zehn weitere Bundesländer nähmen eine ganz andere Haltung ein, sagte der Berliner Staatssekretär Gerhard Husung. Berlin, Bremen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz wollen erreichen, dass auch die bisherige Ausbildungsleistung, die über der Versorgung von Landeskindern liegt, berücksichtigt wird. Bundesgelder für den künftigen Ausbau von Studienplätzen sollten auf jeden Fall fließen. Die Berliner Universitäten etwa mussten seit 2005 wegen des Haushaltsnotstands 75 Millionen Euro sparen. Damit waren die 85 000 Studienplätze nicht mehr zu halten, die Zahl sank auf rund 79 000. Dennoch bildet Berlin weit über den eigenen Bedarf für die Landeskinder aus. Von den über 130 000 Studenten in Berlin kommen nur 47 Prozent aus der Hauptstadt, 53 Prozent jedoch aus anderen Bundesländern und dem Ausland.

Ob Berlin angesichts des Studentenbergs und der Haushaltsnotlage zusätzliche Studienplätze finanzieren kann, ist fraglich. Staatssekretär Husung fordert vom Berliner Senat eine solche Leistung, weil er befürchtet, dass anderenfalls Berlin nicht von den Forschungsgeldern des Bundes bei der Overheadfinanzierung profitieren könnte. Da die Berliner Unis so stark bei der Einwerbung von Drittmitteln sind, könnte Berlin aus den Forschungsgeldern des Bundes 18 Millionen Euro bis zum Jahr 2010 gewinnen und damit einen Teil der 75 Millionen Sparauflage an den Universitäten mildern.

Zweiter Streitpunkt: In den alten Bundesländern verlassen geburtenstarke Jahrgänge die Schulen. In den neuen Ländern sind durch den Geburteneinbruch nach der Wiedervereinigung die Schülerzahlen jedoch nahezu um die Hälfte zurückgegangen. In derselben Zeit, in der die Unis und Fachhochschulen in der alten Bundesrepublik nahezu flächendeckend den Numerus clausus verhängen müssen, stehen im Osten die Hochschulen teilweise leer. Diese Überkapazitäten sind den Finanzministern ein Dorn im Auge. Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt hat in den Verhandlungen um den Hochschulpakt deutlich gemacht, dass sein Land eigentlich die Hälfte seiner Studienplätze abbauen müsste. Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus spricht von einem Drittel. Wie soll dem Osten geholfen werden, damit die Kapazitäten dort gehalten werden können?

Baden-Württembergs Ministerpräsident hatte im Februar angeregt, Studenten seines Landes für zwei Semester an die sächsischen Hochschulen zu schicken und dafür den Sachsen einen Teil der Studienplatzkosten zu erstatten. Davon ist jetzt nicht mehr die Rede. Jetzt sagt Wissenschaftsminister Peter Frankenberg, eine „Studentenlandverschickung“ sei nicht machbar. Das sei eine Folge der Zerschlagung der ZVS: Die Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen darf Studienbewerber nicht mehr an einen Studienplatz im Osten „zwangsverschicken“. Sie kann allenfalls noch als Servicestelle arbeiten und die Studenten auf freie Studienplätze im Osten hinweisen.

In der Diskussion ist nun, 25 Prozent der Bundesgelder für die neuen Länder zu reservieren, damit die dortigen Überkapazitäten gehalten werden können. Man könnte aber auch nach dem Prinzip verfahren, „das Geld folgt den Studenten“. In diesem Fall müssten zum Beispiel Nordrhein-Westfalen, Bayern oder Baden-Württemberg für die Landeskinder Geld nach Sachsen oder Thüringen überweisen, die dort ein Studium aufnehmen.

Dritter Streitpunkt: Dieses Prinzip wird von Rheinland-Pfalz und Berlin und damit von der SPD und der Linkspartei unterstützt, von den CDU-regierten Ländern aber strikt abgelehnt. Denn die CDU-regierten Länder führen Studiengebühren ein, die von der SPD und der Linkspartei regierten Länder lehnen das ab. Die CDU will nicht im Fall einer verstärkten Wanderung der Studenten auch noch den Ländern Geld zuschießen, die keine Gebühren verlangen. Abgesehen davon liefe diese Lösung auf einen neuen Länderfinanzausgleich hinaus.

Bei den jetzigen Verhandlungen um den Hochschulpakt geht es nur um den Zeitraum von 2007 bis 2010. Bis zum Jahr 2020 geht es um eine ganz andere Dramatik. Dann stehen nicht 90 000 zusätzliche Studienplätze zur Debatte, sondern über 200 000. In dieser Periode kann man nicht mit Investitionen in Höhe von 1,1 Milliarden verteilt auf vier Jahre rechnen, sondern mit zwei Milliarden jährlich allein in den Jahren 2012 bis 2014. Wie die Politik auf diese Herausforderung reagieren wird, ist noch nicht abzusehen.

Uwe Schlicht

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