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Gesundheit: Süssmuths Schule

Neuer Anlauf: Schüler sollen länger gemeinsam lernen, fordert die Unionspolitikerin

Rita Süssmuth macht sich stark für eine längere gemeinsame Schulzeit aller Kinder – ein sehr ungewöhnlicher Vorstoß für eine Unionspolitikerin, mit dem die ehemalige Bundestagspräsidentin und Bundesministerin a.D die Debatte um die „Gemeinschaftsschule“ neu anstößt: „Unser Ziel ist, dass die Schule die Kinder künftig weniger früh voneinander trennt“, sagte die Politikerin der „Tageszeitung“. Süssmuth engagiert sich für die neue Initiative „Länger gemeinsam lernen“, einem Bündnis, dem zum Beispiel die GEW, der Bundeselternrat und der Grundschulverband angehören. Die „erschütternde Botschaft von Pisa“ sei: „Ihr sortiert die Schüler zu früh. In keinem System der Welt ist der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft, zwischen Elternhaus und Bildungschancen so hoch“, sagte Süssmuth. „Wir können uns die dreigliedrige Schule schlicht nicht mehr leisten.“ Die Ersten, die das erkannt hätten, seien die Unternehmen. Süssmuth argumentiert damit, dass das deutsche Schulsystem bemüht sei, homogene Lerngruppen zu bilden, die es aber gar nicht gebe. Deshalb stünden andere Länder bei Pisa besser da.

Die nach Pisa immer wieder geführte Debatte um eine längere gemeinsame Schulzeit in Deutschland war verstummt, seit die SPD in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen bei Wahlen schlecht abgeschnitten hat. Im Bundeswahlkampf war die „Gemeinschaftsschule“ dann kein Thema mehr für die Sozialdemokraten.

Die Pisa-Forscher haben in der Vergangenheit immer hervorgehoben, dass der Unterricht in Deutschland auch innerhalb der jetzigen Strukturen verbessert werden kann. Pisa belege auch „keinen systematischen Zusammenhang“ zwischen den Leistungen der Schüler und dem Schulsystem, so der deutsche Pisa-Chef Manfred Prenzel. In der Tat zeigt die neue Pisa-Studie bereits Erfolge der Reformen. Kritiker einer großen Schulstrukturreform befürchten, dass die schon jetzt mit einer Fülle von Veränderungen belasteten Schulen auf Jahre von ihren eigentlichen Aufgaben abgehalten würden, sollte man die bestehenden Schultypen auflösen. Hinzu kommt die Sorge, die Abschaffung des Gymnasiums könnte Scharen bürgerlicher Eltern in die Arme von Privatschulen treiben. Dann würde das Schulwesen erst Recht sozial ungerecht, wird argumentiert.

Die Befürworter einer längeren gemeinsamen Schulzeit verweisen hingegen auch auf die demografische Entwicklung. Gerade im Osten Deutschlands gibt es immer weniger Schüler, hier sei es auf Dauer kaum möglich, ein mehrgliedriges System aufrechtzuerhalten. Nach Schätzungen des Kultusministeriums werden etwa in Sachsen 2011 nur noch halb so viele Kinder zur Schule gehen wie noch im Schuljahr 1996/97. Die Sachsen, die beim jüngsten Pisa-Test an Baden-Württemberg vorbeizogen und jetzt hinter Bayern auf Platz zwei liegen, haben inzwischen nur noch zwei Schulformen in der Sekundarstufe: Die Schüler gehen ab der fünften Klasse auf die „Mittelschule“ – eine Mischung aus Haupt- und Realschule – oder das Gymnasium. In der fünften und sechsten Klasse sollen sich die Lehrpläne an beiden Schultypen ähneln, damit gute Mittelschüler noch zur siebten Klasse aufs Gymnasium wechseln können.

Brandenburg hat seine Hauptschule unlängst abgeschafft. Neben dem Gymnasium gibt es nur noch die Oberschule. Pisa-Forscher Jürgen Baumert, Direktor am Max-Planck-Insitut für Bildungsforschungin Berlin, findet das richtig. Allerdings werde den Hauptschülern damit nur geholfen, wenn die Lehrer lernten, mit der Heterogenität der Schüler umzugehen. In Bayern oder Rheinland-Pfalz besuche jedoch ein Drittel der Schüler die Hauptschule. Hier sei die soziale Mischung besser, die Akzeptanz der Hauptschüler auf dem Lehrstellenmarkt gut.

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