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Gesundheit: Sylvesternacht in Berlin: "Es gibt wunderbare Bomben!"

Friederike Unverzagt (33) hat beim Schauspiel ihre Liebe zur Pyrotechnik entdeckt und daraufhin beschlossen, Feuerwerkerin zu werden. Nach freier Tätigkeit unter anderem bei Tourneen von Tina Turner oder Janet Jackson ist sie seit 1997 bei der Firma "Flash Art" angestellt.

Friederike Unverzagt (33) hat beim Schauspiel ihre Liebe zur Pyrotechnik entdeckt und daraufhin beschlossen, Feuerwerkerin zu werden. Nach freier Tätigkeit unter anderem bei Tourneen von Tina Turner oder Janet Jackson ist sie seit 1997 bei der Firma "Flash Art" angestellt. Seither hat sie zahlreiche Feuerwerksinszenierungen mitgestaltet und bereitet nun die Sylvesternacht an der Siegessäule vor.

Ein Feuerwerk lebt von malerischen Effekten, die die Namen Chrysanthemen oder Dahlien tragen ...

Ja, es gibt wunderbare Bomben! Zum Beispiel Fallschirmbomben. Das sind richtige kleine Kunstwerke, die per Hand in China angefertigt werden. Die Bombe steigt auf, und in 100 Metern Höhe fliegt das Ganze auseinander. Man sieht überall bengalische rote Punkte im Himmel, die langsam herunterkommen. Ist der Rums erst mal vorbei, entfaltet sich so ein unheimlich schönes und stilles Bild. So etwas ist phantastisch!

Was treibt die Bombe in den Himmel?

Bei einer Kugelbombe zum Beispiel hängt der Treibsatz unten an der Bombe. Das ist entweder Schwarz- oder Nitropulver. Das Schwarzpulver gibt es in verschiedenen Körnungen. Dadurch bestimmt man die Kraft des Pulvers. Je feinkörniger es ist, um so höher kann ich schießen, weil das Material schneller umgesetzt wird und so einen höheren Druck erzielt. Der Zerlegersatz presst die Bombe dann auseinander.

Scheinbar nicht immer auf die gleiche Weise.

Es gibt viele Möglichkeiten. Beispielsweise Blinkerbomben. Das sind gerollte Sätze, die wegen ihrer chemischen Zusammensetzung angehen, wieder ausgehen und wieder angehen. Der Zuschauer sieht einen blinkenden Sternenschauer. Eine italienische Spezialität sind zylindrische Mehrschlagbomben. Dabei geht die Bombe hoch, zerlegt einen Satz, steigt weiter auf, zerlegt den nächsten, bis zu acht Mal hintereinander.

Muss es bei einem solchen Feuerwerk zwangsweise krachen?

Ganz ohne Krach geht es nicht. Immer wenn ein pyrotechnischer Satz zerlegt wird, wird auch akustische Energie frei. Ich persönlich finde aber die leisen Bilder traumhaft. Das ist ein Zeichen dafür, dass man anfängt, dieses Feuerbiest zu zähmen.

Dann ist die Böllerei an Sylvester sicher nicht ihr Ding.

Sylvester auf der Straße ist ein Grauen für mich. Sicherheitsabstände gelten nicht mehr, und das, was unsereins das ganze Jahr unheimlich reglementiert betreibt, wird außer Kraft gesetzt. Man kann sich gegenseitig mit Leuchtkugeln vom Balkon holen.

Ein Ausnahmenzustand?

Bei Raketen müsste eigentlich ein Sicherheitsabstand von 125 Metern eingehalten werden. Wenn eine Stabrakete in die Luft geschossen wird und aus 30 Metern Höhe wieder gen Boden fällt, kann so ein Stab einem hoch schauenden Zuschauer das Auge ausstechen. Raketen sind aus meiner Sicht rasend gefährlich.

Sie bleiben also lieber zu Hause?

Ich habe einen solchen Respekt davor, dass ich an Sylvester Angst habe, auf die Straße zu gehen. Und der Respekt nimmt zu, je länger man mit Feuerwerken arbeitet.

In diesem Jahr sind Sie mit Sicherheit mittendrin. Am 31. Dezember gehört der Große Stern in Berlin Ihnen. Was wollen sie machen?

Wir werden die Siegessäule als Bühne für Feuerwerksinstallationen benutzen.

Die ganze Siegessäule bis hinauf zur Goldelse?

Nein, das wäre aus Denkmalschutzgünden schwierig. Wir möchten nicht Gefahr laufen, diesen wunderschöner Engel zu beschädigen. Es gibt aber direkt darunter eine Ebene, von der aus wir operieren werden.

Was erwartet den Zuschauer?

Das Feuerwerk ist die Umsetzung eines Konzepts, das sich "Metamorphosen" nennt. Konzipiert wurde es von meinem Kollegen und Theaterregisseur Hans Christoph Mücke, der sich mit der Vergangenheit und Gegenwart der Siegessäule auseinandergsetzt hat. Witzigerweise ist die Geschichte der Siegessäule nämlich mit der Geschichte des Feuerwerks verknüpft.

Inwiefern?

Das Feuerwerk ist aus Siegesfeiern mitentstanden. Es gibt Berichte, wonach nach einem gewonnenen Krieg brennende Pfeile in den Himmel geschossen wurden.

Werden Sie auch mit brennenden Pfeilen schießen?

Nein. Wir werden mit Material arbeiten, das bei Boden- oder Bühnenfeuerwerken eingesetzt wird. Wir wollen vor allem Feuertöpfe und römische Lichter einsetzen.

Zu einer passenden Musik.

Ein Feuerwerk braucht euphorische, starke Akzente.

Wie das Eiskunstlaufen?

Hymnencharakter ist am besten. Wir werden ein Mischmasch aus verschiedenen Filmmusiken hören. Aber davon kann man sich ja überraschen lassen. Flash Art, die Firma für die ich arbeite, hat ein Computerprogramm entwickelt, das es ermöglicht, ein Feuerwerk punktgenau zu zünden. Aber so etwas ist immer Teamarbeit. Acht Pyrotechniker arbeiten an dem Aufbau mit. Ich selbst bin für die Zündlogistik zuständig, also Fragen wie: Wer muss wann welche Effekte aufstellen? Wie müssen sie verkabelt sein? Das Musikfeuerwerk dauert etwa zwölf Minuten und liegt vor Mitternacht.

Haben Sie keine Angst, bei einem Feuerwerk könnte mal etwas schiefgehen?

Unfälle sind natürlich nie auszuschließen. Aber wenn man ein Feuerwerk wie das am Großen Stern nach klaren Regeln aufbaut, ist das Restrisiko relativ gering. Der Sicherheitsabstand ist so kalkuliert, dass dem Publikum nichts passieren kann.

Und für Sie selbst?

Es gibt natürlich viele Regeln, die zu beachten sind, etwa dass man nicht sein Gesicht über die Abschussrohre hält. Oder dass man erst dann prüft, ob alle Kabel ordentlich miteinander verbunden sind, wenn keiner der Kollegen mehr an dem Zündkreis arbeitet. Aber jeder Test geht nur bis zum Zünder. In die Bombe selbst kann ich nicht hineinschauen. Ich weiß nicht, ob sie zum Beispiel schlampig zusammengesetzt wurde. Und darin liegt immer ein gewisse Risiko.

Wovor fürchtet man sich bei Feuerwerken am meisten?

Was wir am meisten fürchten - aber das hat jetzt nichts mit der Siegessäule zu tun -, das sind die Rohrkrepierer bei Hochfeuerwerken. Wenn also der Treibsatz nicht ausreichend groß ist, wenn er nass geworden ist oder das Rohr bereits ausgeschossen ist. Dann kann das Gas, das die Bombe in den Himmel treibt, entweichen, und die Bombe fliegt nicht mehr so hoch.

Haben Sie also auch Angst vor Regen?

Bei unserm Sylvesterfeuerwerk ist alles in kleine Tütchen verpackt. Für den Aufbau ist Regen natürlich trotzdem unangenehm, auch Frost. Ich fürchte mich schon vor dem harten Berliner Ostwind. Das war das Schlimmste für mich, als ich aus Köln hierher gezogen bin. Man denkt, Sibirien kommt gleich hinter der Stadtgrenze.

Ein Feuerwerk lebt von malerischen Effekten[die d]

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