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Gesundheit: Tagung im Preußeninstitut: Eitler Geburtshelfer und Totengräber der Monarchie

Das Urteil der Nachgeborenen über den ersten König in Preußen Friedrich I. (1701-1713) war keineswegs schmeichelhaft.

Das Urteil der Nachgeborenen über den ersten König in Preußen Friedrich I. (1701-1713) war keineswegs schmeichelhaft. "Ein toller Haushalt" habe unter seinem Vater geherrscht, meinte sein Nachfolger, der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. Dessen Sohn Friedrich II., genannt der Große, unterstellte seinem Großvater nur Eitelkeit als bestimmende Größe seiner Politik. Und unter manchen Historikern der jüngsten Vergangenheit galt Friedrich I. als verschwendungssüchtig und schwach.

Doch mittlerweile wandelt sich das Bild. Der Mainzer Historiker Heinz Duchhardt zeichnete auf der Tagung "Die europäische Monarchie", die das Forschungsinstitut für die Geschichte Preußens derzeit abhält, ein Bild von Friedrich I., das geradezu kohlsche Dimensionen annimmt. Der Noch-Kurfürst von Brandenburg habe um 1700 eine historische Chance für seine Pläne gesehen und sie kurzentschlossen ergriffen. Dabei ging es nicht um die Wiedervereinigung eines geteilten Landes, obwohl Brandenburg-Preußen im 18. Jahrhundert einem zerrissenen Flickenteppich glich, sondern um die Erhöhung des Herzogtumes Preußen zum Königreich. Ein unerhörter Vorgang: "Europas Herrscher-Gleichgewicht war festgefügt, die Begründung einer neuen Monarchie bis dato nur einsamste Ausnahme", sagte Heinz Duchhardt. Deshalb musste ein solcher Plan aufs Genaueste vorbereitet werden.

Zunächst galt es, die Zustimmung des deutschen Kaisers zu gewinnen. Diese Würde lag schon seit Beginn des 15. Jahrhunderts in den Händen der Habsburger. Und die brauchten um 1700 jeden Verbündeten, den sie kriegen konnten. Europa erwartete einen Krieg um die spanische Erbfolge, die mit dem Tod des kinderlosen Königs Karl II. offen war. Alle europäischen Großmächte machten Ansprüche geltend - auch die Habsburger, war Karl II. doch einer der ihren gewesen. Mit der Zusicherung, dem Habsburger 8000 Mann preußischer Hilfstruppen zu gewähren, erkaufte sich Friedrich das kaiserliche Plazet zu seinem Königstum.

"Aber die kaiserliche Genehmigung konnte die nötige Zustimmung aller europäischer Monarchen nicht ersetzen", so der Historiker Duchhardt. Friedrichs Diplomaten waren jahrelang im Dauereinsatz, um die anderen Potentaten mit Bestechungsgeldern, Versprechungen und Drohungen weich zu klopfen. Am 18. Januar 1701 war es soweit. "Die Eile ist bemerkenswert", sagt Duchhardt. Zu einem unwirtlichen Termin - Preußen war tief verschneit - vollzog der brandenburgische Kurfürst Friedrich III. im bitterkalten Königsberg seine prächtige Krönung zu Friedrich I., König in Preußen (man wollte den König von Polen, zu dem Teile Westpreußens offiziell noch gehörten, mit dem Wort in besänftigen). Die Dynastie der Hohenzollern-Könige war durch das geschickte Taktieren Friedrichs etabliert.

Auch das Urteil über den letzten der königlich-preußischen Dynastie, Wilhelm II., wird zunehmend revidiert. Nur dass die Entwicklung vom positiveren Urteil in Richtung Verdammung zu gehen scheint. Besonders deutlich wird dies in der mehrbändigen Biografie des letzten deutschen Kaisers, die der Historiker John C. G. Röhl aus Sussex derzeit erarbeitet. Röhl machte auf der Monarchie-Tagung des Preußeninstitutes deutlich, welch schlechtes Urteil er über Wilhelm II. fällen müsse. Dabei stützt er sich auf Briefe und Tagebucheintragungen der monarchistischen einstigen Förderer des jungen Kaisers, besonders seines Generalstabschefs Alfred Graf von Waldersee. Glaubte der noch anfang 1890, mit Wilhelm II. habe Preußen und Deutschland eine glänzende Zukunft vor sich, so revidierte er diese Meinung schon wenige Monate später. "Er konstatierte in Berlin eine große Enttäuschung über den Kaiser, der offenbar zu jung auf den Thron gekommen war", zitiert Röhl.

Wilhelm sei nur von Eitelkeit und Popularitätssucht getrieben worden. Schmeichler fänden bei ihm ein offenes Ohr. Immer wieder stellten Persönlichkeiten aus der Umgebung des Kaisers dessen geistige Gesundheit in Frage, verglichen ihn mit dem "Schwanenkönig" Ludwig II. Die autokratische Herrschsucht des Staatsoberhaupts grenzte laut Waldersee an Größenwahn.

Dies sei eine damals verbreitete Kritik von Monarchisten am Kaiser gewesen, betont Röhl. Hatte diese Gruppe den Kronprinzen Wilhelm noch nach Kräften unterstützt, weil sie nach seiner Thronbesteigung auf die Wiederherstellung einer "Persönlichen Monarchie" gegen die Kanzlerdiktatur Bismarcks hoffte, so sah sie im letzten Hohenzollern-Herrscher wenige Jahre später nur noch den Totengräber der Monarchie.

Röhl zieht ein bemerkenswertes Resümee. Wäre nach der kurzen Regentschaft von Kaiser Friedrich III. (1888) nicht sein Sohn Wilhelm, sondern sein "dummer Bruder Heinrich" (Röhl) auf den Thron gefolgt, "hätten die Hohenzollern vielleicht noch jetzt in einer parlamentarischen Monarchie in Deutschland herrschen können."

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