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Gesundheit: Teamarbeit gibt Zugvögeln Auftrieb

Der Formationsflug hilft Enten, Gänsen oder Pelikanen, Energie zu sparen

Elegant fliegt ein Schwarm Enten, Gänse oder Kraniche am Himmel. Mühelos wirkt dieser Formationsflug von weitem. Doch in Wirklichkeit ist Fliegen Schwerarbeit. Wenn Gänse und Enten wie zurzeit auf den Weg in den Süden sind oder auf dem Rückflug in ihre Brutgebiete in Skandinavien oder Sibirien, müssen viele von ihnen eine Rast im Wattenmeer einlegen, um Energie zu tanken.

Das Wattenmeer wimmelt von kleinen Krebsen und Würmern – die Nahrung der Vögel. Haben sie sich einen ausreichenden Fettvorrat angefressen, fliegen sie weiter. Und genau wie Autofahrer mit einer Tankfüllung möglichst lange auskommen wollen, versuchen Vögel, mit ihrem Speckvorrat so weit wie möglich zu fliegen. Schließlich sind Tankstellen wie das Wattenmeer dünn gesät.

Deshalb ist jeder Trick willkommen, der den Energieverbrauch senkt. Wie ein Torpedo unter Wasser liegt der Vogelkörper in der Luft – das verringert den Reibungswiderstand. Flügel und Federn bewegen die Tiere so geschickt, dass der Körper nicht nur vorwärts-, sondern auch aufwärtsgetrieben wird: Unter dem Flügel baut sich ein höherer Luftdruck auf, darüber herrscht Unterdruck. Die Flügelbewegung saugt den Vogel also in die Höhe, während die Schwerkraft ihn zu Boden zieht. Schlägt er kräftig genug mit den Flügeln, erreicht er ein Gleichgewicht zwischen beiden Kräften – und schwebt.

Ganz ähnlich funktioniert ein Airbus, allerdings liefern mächtige Triebwerke dem Jet die Kraft. Als Ingenieure wie Dietrich Hummel von der Technischen Universität in Braunschweig die Luftbewegung an der Tragfläche untersuchten, fanden sie weitere Parallelen zum Vogelflug: In beiden Fällen strömt die Luft hinter dem Flügel vom höheren Druck zum niedrigeren – also aufwärts. Das gibt Auftrieb, den der Vogel normalerweise mit dem Flügelschlag selbst erzeugen muss. Daher fliegen Enten, Gänse oder Kraniche gern in der aufsteigenden Luft, die der vor ihnen fliegende Vogel erzeugt. Auch hinter dem zweiten Vogel bildet sich eine Auftriebszone, die ein weiterer Artgenosse ausnutzt, erklärt Dietrich Bilo, der an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken den Vogelflug erforscht.

Da der Auftrieb hinter dem Flügel und nicht hinter dem Rumpf entsteht, folgt der Hintere seinem Vordervogel ein wenig zur Seite versetzt. So bilden sich die typischen Formationen am Himmel. Manchmal fliegt sogar hinter dem rechten und linken Flügel jeweils ein Vogel her. So entsteht ein lang gezogenes „V“, dessen einer Ast sich sogar in ein weiteres „V“ gabeln kann.

So weit die Theorie. Bei den Dreharbeiten für den Dokumentarfilm „Nomaden der Lüfte“ nutzten Henri Weimerskirch und seine Kollegen vom Nationalen Wissenschaftszentrum im französischen Villiers en Bois die Chance, das Energiesparen durch Formationsflug in der Praxis zu überprüfen. Im Djoudj-Nationalpark des Senegal trainierten die Forscher acht Pelikane darauf, in Formation hinter einem Motorboot oder einem Leichtflugzeug herzufliegen. So machten die Kameraleute beeindruckende Flugaufnahmen. Die Wissenschaftler maßen anhand der Bilder, wie lange und häufig Pelikane gleiten, statt mit den Flügeln zu schlagen. Ein Messgerät auf dem Rücken der Tiere registrierte gleichzeitig den Herzschlag.

Das Ergebnis: Im Formationsflug schlägt das Herz rund ein Achtel langsamer als im Soloflug. Mehr als die Hälfte der Zeit gleiten die Pelikane in Formation energiesparend und sparen so zwischen 11,4 und 14 Prozent der Energie, die sie beim Alleinflug benötigen würden. Enten oder Gänse können auf die gleiche Weise genau das Gramm Speck auf hundert Flugkilometern sparen, das für eine sichere Reise bis zu den Brutplätzen in der Arktis oder in Skandinavien benötigt wird.

Allerdings hätte der vorderste Vogel dabei schlechte Karten, weil ihm niemand zusätzlichen Auftrieb verschafft. Sobald daher die Kräfte des Spitzenvogels nachlassen, gibt er die Führung ab. Wie der Spitzenmann einer Radmannschaft beim Sechs-Tage-Rennen schert er zur Seite aus, lässt den Rest des Teams vorbeiziehen und reiht sich als Letzter wieder ein.

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