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Gesundheit: Techno statt Poesiealbum

Wie Studentinnen technischer Fächer versuchen, Schülerinnen für ein Studium in den Männerdomänen zu werben

Juliane von Mittelstaedt

„Techno-Club“ klingt nach Loveparade, Partys, exzessivem Dauertanzen – nur nicht nach Studium. Genauer: dem naturwissenschaftlich-technischen Studium. Das ist bislang zum größten Teil den Männern vorbehalten, viel zu wenige junge Frauen trauen sich in die Formelwelt: zu langweilig, zu schwierig. In Fächern wie Physik, Elektrotechnik und Ingenieurwesen ist nur etwa jeder zwanzigste Student eine Studentin.

Über den „Techno-Club“ sollen die Mädchen nun zur Technik finden. Getanzt wird indes nicht, sondern geschnuppert, geredet, Berührungsangst abgebaut, neue Berufsbilder aufgezeigt. Die Frau, die den Techno zunächst für eine Pilotphase von zwei Jahren macht, ist Inka Greusing vom Zentrum für interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung an der Technischen Universität Berlin. Zusammen mit sechs Tutorinnen kämpft sie gegen die Stereotypen in den Köpfen.

Die Idee: Da der Berufswunsch oft schon in der Schule entsteht, muss die Universität zu den Schülerinnen in die Schule kommen. Deren Scheu vor technischen Berufen ist zumeist groß, ihr Wissen um naturwissenschaftliche Studiengänge und Berufsbilder dagegen klein. Drei Berliner Schulen nehmen inzwischen am Projekt teil, die Friedrich-Engels- und die Bertha-von-Suttner-Oberschule in Berlin-Reinickendorf sowie die Sophie-Scholl-Oberschule in Schöneberg.

Die Studentinnen berichten jeweils anderthalb Stunden aus dem Uni-Alltag, von Berufsbildern und Chancen. Studien- oder Berufsberatung können und wollen sie nicht leisten; ihre große Stärke ist die persönliche Erfahrung. Die Teilnahme ist für die Schülerinnen Pflicht. Jungs müssen draußen bleiben, Lehrer auch. Jenni Frank, die Umwelttechnik studiert, erzählt von ihrer „Fünf“ im Physikunterricht. Denn: „Viele Mädchen haben Angst, mit ihren Schulkenntnissen für ein technisches Studium nicht gewappnet zu sein.“

Die meisten Schülerinnen der 11. Klasse wissen schon, was sie studieren wollen. Ein naturwissenschaftlicher Beruf ist nicht dabei. Die Liste der Berufe, die sie „toll“ finden, liest sich wie ein Auszug aus dem Poesiealbum: Tänzerin, Lehrerin, Journalistin, Psychologin, Schauspielerin. Und wie stellt ihr euch diese Berufe vor? fragt Jenni Frank. „Kreativ“, „viel unterwegs sein“, „im Team arbeiten“, „viele Sprachen sprechen“.

Und Bauingenieurin? Umwelttechnikerin? Die Schülerinnen schweigen. An der Friedrich-Engels-Schule wird demnächst keines der Mädchen einen Chemie- oder Physik-Leistungskurs belegen. Vorne an der Tafel stehen die beiden Tutorinnen und werben. Sie wollen zeigen: All das bietet ihr späterer Beruf auch. „Sobald im Titel ein sozialer oder gesellschaftlicher Bezug auftaucht, zum Beispiel Umwelt- oder Energietechnik, sind die Mädchen viel eher dafür zu begeistern“, hat die Diplom-Ingenieurin Inka Greusing festgestellt.

Am Ende dieses anderen „Unterrichts“ geben die meisten Schülerinnen zu, noch nie über ein naturwissenschaftliches oder technisches Studium nachgedacht zu haben. Die Frage „Warum müssen wir uns das anhören?“ ist verstummt. Der Stein rollt, der Berufshorizont wird breiter. Und egal, ob die Schülerinnen sich für Psychologie oder Physik entscheiden: Sie wissen jetzt, dass sie wählen könnten.

Mehr Informationen im Internet: www.tu-berlin.de/schueler/techno-club

Interessierte Schülerinnen aller Schulen können an den Veranstaltungen des Techno Clubs an der TU Berlin teilnehmen. Zur Auswahl stehen Schnupperkurse, Laborversuche, eine Unirallye sowie Bibliotheksführung und das „Perspektiven-Café".

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