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Gesundheit: Transplantation: Eigener Kopf - fremder Körper

"Ach, wenn ich doch meinen Kopf einem anderen hinterlassen könnte!" soll der eitle Graf und spätere Jakobiner Mirabeau 1791 auf dem Sterbebett geseufzt haben.

"Ach, wenn ich doch meinen Kopf einem anderen hinterlassen könnte!" soll der eitle Graf und spätere Jakobiner Mirabeau 1791 auf dem Sterbebett geseufzt haben. 200 Jahre später hätte ihn der amerikanische Chirurg Robert J. White beim Wort genommen. White hat bei Rhesusaffen bereits in den siebziger Jahren erfolgreich Kopftransplantationen probiert. Die Affen überlebten die Operation acht bis neun Tage.

Eine Operation beim Menschen könne mit wenigen Abweichungen nach dem gleichen Muster erfolgen, sagte er am Mittwochabend in Dresden. Dort diskutierte er auf Einladung des Deutschen Hygienemuseums mit dem Bonner Neurophysiologen Detlef Bernhard Linke. Im Museum läuft seit April die Sonderausstellung "Kosmos im Kopf", ein Exkurs in die Welt des Gehirns und des Denkens.

Das Gehirn stößt nicht ab

White begründet seinen Optimismus mit der "immunologischen Privilegierung" des Gehirns. Abstoßungsreaktionen des Fremdgewebes, sonst das Hauptproblem in der Transplantationsmedizin, seien bei diesem Organ nicht zu erwarten. Schließlich hat er in Cleveland, im US-Bundesstaat Ohio, schon Gehirne außerhalb des Schädels am Leben erhalten und an ihnen experimentiert. Der Chirurg grenzt allerdings den Kreis möglicher Transplantationskandidaten stark ein. Eine solche Operation komme vorerst nur für Menschen in Frage, die nach einem Unfall vom Hals abwärts gelähmt sind und denen deshalb ein fortschreitendes Organversagen droht. Ihr Leben würde vielleicht verlängert, meint White.

Wer hofft, solche Patienten könnten durch die Transplantation ihre Bewegungsfähigkeit wiedererlangen, irrt indessen. Dafür müsste eine Verbindung zum Rückenmark hergestellt werden. Eine "hochkomplexe Aufgabe", vor der auch ein Experte wie White kapitulieren muss. Nicht einmal eine Speiseröhrenanbindung wäre möglich, der Patient müsste per Katheder ernährt werden. Auch die "Kopfhalterung" am Rückgrat müsste mechanisch-metallisch stabilisiert werden.

Die Frage liegt nahe, welchen Sinn eine solche Kopfverpflanzung dann noch haben könnte. White wich der Beantwortung in Dresden aus. In seiner Vorstellung dient der Ersatzkörper lediglich als Versorgungseinrichtung für Kopf und Hirn als Sitz der Persönlichkeit. Warum dann nicht gleich eine erweiterte Herz-Lungen-Maschine anschließen, wie sie während der Kopfübertragung ohnehin vonnöten ist?

"Warum nicht einen Körper?" fragt White unschuldig zurück. Nach seinen Affenexperimenten will er garantieren, dass die Sinneswahrnehmung im Ergebnis wieder funktioniert und dass mit elektronischer Hilfe eine Sprachkommunikation möglich wird. Die Affen konnten sogar jemandem "einen Finger abbeißen".

In einem Aufsatz für das Wissenschaftsmagazin "Scientific American" hat White dem Leser und sich selbst detailliert ausgemalt, wie eine Verpflanzung des Kopfes beim Menschen vor sich gehen könnte: zwei separate Chirurgenteams müssen gleichzeitig in einem großen Saal operieren. Sobald Spender und Empfänger in Narkose sind, werden tiefe Einschnitte um den Hals gemacht, "Gewebe und Muskeln vorsichtig durchtrennt, bis Halsschlagadern, Halsvenen und Wirbelsäule freiliegen". Dann werden Schläuche in die Blutgefäße geschoben, der Knochen von der Halswirbelsäule abgetragen, das Rückenmark freigelegt und durchtrennt. Jetzt ist der Weg frei - der Kopf des einen Patienten wird abgenommen "und an die Schläuche angeschlossen, die zum Kreislauf des anderen Patienten gehören". Dessen Kopf hat das andere Team unterdessen entfernt. Nun werden Kopf und Spenderkörper an Blutgefäßen, Muskeln und Haut zusammengenäht. Die Wirbelsäulen werden mit Metallplatten fest verbunden.

Wo sitzt die Vernunft?

Wer beim Dresdner Disput erwartet hatte, dass der Deutsche Detlef Linke nun den mahnenden ethischen Kontrapunkt setzen würde, sah sich zunächst enttäuscht. Den Hirntod des Körperspenders vorausgesetzt, wären einer Kopftransplantation kaum formale Einwände entgegenzusetzen. Auch eine Prüfung nach allgemein akzeptierten bioethischen Kriterien rechtfertige keine Ablehnung.

Dabei geht es um die Wahrung der Autonomie des Patienten, den Nutzen oder vielmehr Nicht-Schaden für ihn sowie um die Gerechtigkeit bei der Spender-Verteilung. Das deutsche Transplantationsgesetz von 1997 folgt diesen Grundsätzen. Aber Linke fragte, ob die Kriterien in diesem Extremfall genügen. Bleibt nicht dennoch ein Unbehagen, das es zu ergründen gilt?

"Wir haben kein Bild vom Menschen", gab Linke zu bedenken und erinnerte an eine Verantwortung nicht nur für den Einzelnen, sondern für die Gattung. Inwieweit schaffen wir uns selbst neu?

Soziale Fragen nach dem Sinn des medizinischen Aufwandes angesichts verbreiteter Armut und Unterversorgung drängen sich auf. Fragen, mit denen sich offenbar auch Robert J. White bei seinen Geldgebern konfrontiert sieht. Schon der Laie hat ganz praktische Assoziationen. Nimmt der Kopf den fremden Körper auch an? Welche Rolle spielt der Phantomschmerz bei fehlendem Körper?

Wird ein alter Mann den Körper eines Mädchens bekommen? Nein, einen Geschlechterwechsel empfiehlt White nicht unbedingt. Er hat schon einen 48-jährigen amerikanischen Kandidaten, den er aber nicht in Amerika, sondern im ukrainischen Kiew neu "verkörpern" möchte. Wegen der leichteren Genehmigungen, des geringeren Aufsehens und der geringeren Kosten.

Zur Verpflanzung bereit

Der 75-jährige brennt darauf, das zu tun, was technisch möglich ist. Leser der Zeitschrift "Bild der Wissenschaft" waren zu 70 Prozent bereit, ihren Kopf im Falle einer schweren Schädigung ihres Körpers verpflanzen zu lassen. Die Zuhörer im Dresdner Hygienemuseum blieben da weit reservierter.

Michael Bartsch

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